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Strategist's Corner
3 min

Anlegerverhalten und der Kapitalzyklus

Wie verhalten sich Anleger, was bedeutet das für den Kapitalzyklus und wie wirkt sich unsere genetische Programmierung auf Entscheidungsprozesse aus? Erfahren Sie, warum eine disziplinierte „Zeithorizontarbitrage“ so wichtig ist.

AUTOR

Robert M. Almeida
Portfoliomanager und Global Investment Strategist

Im Überblick

  • „Teuer kaufen, billig verkaufen“ – für Privatanleger ist das typisch. Das liegt an unserem Belohnungssystem: Menschen streben nach Freude (Investitionen in erfolgreiche Wertpapiere) und wollen Schmerz (Verkauf weniger erfolgreicher Anlagen) meiden. 
  • Die großen Aktienbestände von Privatanlegern sprechen in nächster Zeit eher für enttäuschende Erträge. 
  • Professionelle Investoren können mit „Zeithorizontarbitrage“ ihr Know-how und ihre Disziplin nutzen, um emotionales, psychologisch begründetes Verhalten zu vermeiden.

An den Finanzmärkten lässt sich ein Verhalten beobachten, das auf den ersten Blick paradox erscheint: Privatanleger kaufen Aktien, wenn sie teuer sind, also nach einer Gewinnphase. Wenn sie nach einer Verlustphase dann wieder billiger geworden sind, verkaufen sie. Abbildung 1 zeigt das deutlich.

„Teuer kaufen, billig verkaufen“ scheint wenig logisch. Aber es ist absolut plausibel, wenn man die menschliche Natur kennt und weiß, wie Menschen biologisch programmiert sind.

Die Biologie des Marktzyklus

Alle Spezies sind genetisch so programmiert, dass sie ein Belohnungssystem haben. Es soll ihnen beim Überleben und der Arterhaltung helfen. Wir suchen Freude und meiden Schmerz. Eine reife Erdbeere schmeckt gut und führt zu einer positiven chemischen Antwort. Dopamin wird ausgeschüttet. Es weckt in uns den Wunsch, noch mehr Erdbeeren zu essen. Ist aber etwas schädlich, finden wir es ekelhaft und abstoßend.

Die gleiche Programmierung bestimmt auch unser Verhalten als Anleger. Wenn ein Land, ein Sektor, eine Branche oder ein bestimmtes Wertpapier sehr ertragreich ist, schmeckt es sozusagen gut. Es wird viel Dopamin freigesetzt, sodass wir noch mehr investieren wollen. Verluste führen zur gegenteiligen Reaktion und damit zu Kapitalflucht. Dadurch verstärken sich Marktentwicklungen selbst. Man investiert zu viel in ertragreiche Titel und zu wenig in weniger ertragreiche. Übertreibungen und Markteinbrüche wechseln sich ab. Das zeigt ein Blick in die Wirtschaftsgeschichte.

Wenn die Vergangenheit Prolog ist

Die hohe Aktienquote der Haushalte (Abbildung 2) spricht dafür, dass die Aktienerträge in den nächsten zehn Jahren viel schwächer sein könnten als zuletzt.

Vielleicht sollte man bei Ertragsprognosen den Kapitalzyklus berücksichtigen. Wenn im Verhältnis zum erwarteten Nutzen für ein Produkt zu wenig oder zu viel investiert wird, verzerrt das den Ertrag. Wenn dann neue Daten Zweifel an früheren Prognosen wecken, führt das zu Volatilität.

Die letzte US-Berichtssaison war gut. Dennoch glauben wir, dass die Aktienkurse die Erwartungen insgesamt fair abgebildet hatten. Doch dann kam es zu Kreditproblemen. Viele Konsumgüterunternehmen hatten mit der nachlassenden Kaufkraft der Verbraucher zu kämpfen, und andere gerieten durch KI unter Druck – etwa Softwarehäuser mit nutzerbasierten Lizenzmodellen. Die Quartalszahlen sind aber nicht alles. Die übertriebenen Bewertungen machen Sorgen. Die hohen Gewinnmargen können vielleicht nicht gehalten werden, wenn die Zinsen steigen und mehr investiert werden muss, um Marktpositionen gegen neue KI-getriebene Wettbewerber zu verteidigen.

Für viele Unternehmen kann das zu einer Belastung werden. Deshalb, wegen der aktuellen Bewertungen und der größeren Ertragsrisiken beim fortschreitenden Kapitalzyklus ist eine konsequente Einzelwertauswahl besonders wichtig. Man muss Firmen meiden, deren Angebot vielleicht schon bald veraltet ist – und in Unternehmen investieren, die die neuen Technologien sinnvoll nutzen und auch künftig Erfolg haben können.

Kompetenz oder Biologie

Professionelle Investoren sind nicht unbedingt intelligenter oder haben bessere Hilfsmittel. Ihre Stärken sind Ausbildung und Disziplin. Das haben sie vier Milliarden Jahren Evolution entgegenzusetzen. Man hat ihnen beigebracht, Dinge zu suchen, die „übel schmecken“ – unterbewertete Titel von Unternehmen, die zuletzt Verlust machten –, und Dinge zu meiden, die „gut schmecken“ – teure Wertpapiere mit hohen Vergangenheitserträgen. Bei MFS nennen wir das Zeithorizontarbitrage: ein disziplinierter Ansatz, um das kurzfristig orientierte emotionsgetriebene Verhalten anderer zum eigenen langfristigen Vorteil zu nutzen.

 

 

Die hier dargestellten Meinungen sind die des Autors/der Autoren und können sich jederzeit ändern. Sie dienen ausschließlich Informationszwecken und dürfen nicht als Empfehlung oder Angebot zum Kauf eines Wertpapiers oder als Anlageberatung verstanden werden. Prognosen sind keine Garantien. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist keine Garantie für künftige Ergebnisse.

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