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Strategie aktuell

Gewinne lügen nicht: Was wir vom EAFE Index lernen können

In der neuesten Ausgabe von “Strategist's Corner” untersucht Rob Almeida, wie wichtig Gewinne für die Entwicklung des Marktes sind. Er vergleicht die Entwicklung des MSCI EAFE Index in den Jahren 2000 bis 2008 mit seiner Schwäche in den letzten 15 Jahren. Zu den Highlights gehört, wie wirtschaftliche Veränderungen die Voraussetzungen für eine künftige Outperformance des EAFE schaffen können. Und wie wichtig es ist, sich angesichts der sich wandelnden globalen Bedingungen auf die Fundamentaldaten der Gewinne zu konzentrieren, um Marktchancen zu identifizieren.

AUTOR

Robert M. Almeida
Portfoliomanager und Global Investment Strategist

Im Überblick

  • Analysten schreiben gerne, dass der MSCI EAFE seit der internationalen Finanzkrise hinter dem S&P 500 zurückliegt. Das stimmt zwar, hilft uns aber nicht weiter. 
  • Entscheidend für die Performance sind die Unternehmensgewinne.
  • Wenn Ausgaben und Preise jetzt nachhaltig steigen, könnte der EAFE Index wieder vorn liegen.

Wissen ist eine Ansammlung von Fakten – und Verstand ist die Fähigkeit, sie zu vereinfachen. „Knowledge is knowing a tomato is a fruit; wisdom is knowing not to put it in a fruit salad“, sagt man in den USA. Der Unterschied zwischen Wissen und Verstand ist heute wichtiger denn je. Informationen im Überfluss führen dazu, dass man einfache Wahrheiten oft nicht mehr erkennt.

Zuletzt las man oft, dass der MSCI EAFE Index letztmals vor der internationalen Finanzkrise 2008 vor dem US-Markt lag. Das stimmt zwar, wird aber oft falsch interpretiert – und hilft uns isoliert betrachtet auch nicht weiter. Wenn Regionen, Assetklassen, Branchen und Einzelwerte zurückfallen, hat das nichts mit früheren Mehrerträgen zu tun. Wissen bedeutet, das Ausmaß der Performanceunterschiede zu kennen. Wer aber die Gründe verstehen und mögliche Änderungen prognostizieren will, braucht Verstand. 

Die Wahrheit liegt in den Gewinnen

Von 2000 bis 2008 ließ der MSCI EAFE den S&P 500 deshalb hinter sich, weil das Gewinn-wachstum in der EAFE-Region höher war als in den USA (Abbildung 1). Da eine Aktie ein Anspruch auf die Aktiva und Cashflows eines Unternehmens ist, führte der stärkere Anstieg der Gewinne je Aktie zu Mehrerträgen gegenüber dem S&P 500. 

In den letzten 15 Jahren war es dann umgekehrt. Jetzt wuchsen die Gewinne des MSCI EAFE schwächer, und der Index fiel hinter den S&P 500 zurück (Abbildung 2).

Wir verwenden enorm viel Zeit darauf, Indexkonzentration, Duration und Erträge zu analysieren und mit den Vergangenheitswerten zu vergleichen. Dabei ist die Wahrheit so einfach: Auf die  Gewinne kommt es an. Indexkonzentration und Marktzyklen sind die Folgen der Gewinn-entwicklung – und nicht etwa deren Ursachen.

Warum die Zeit bis 2008 so anders war als die Jahre danach, mag für die Gegenwart irrelevant sein. Die Analyse liefert aber interessante Erkenntnisse:

  • 2003 bis 2008 – der Wachstumsmotor der Welt: In dieser Zeit ist die Weltwirtschaft stark gewachsen, vor allem wegen des Aufstiegs Chinas sowie anderer Emerging Markets und der anschwellenden Preisblase am amerikanischen Immobilienmarkt. Entsprechend hoch war die Nachfrage nach Kapital, Arbeitskräften und Rohstoffen, von der EAFE-Unternehmen überdurchschnittlich profitierten. Ihre Umsätze reagieren stärker auf das Wirtschaftswachstum als die Umsätze von US-Unternehmen – und ihre Gewinne wegen der höheren Fixkostenquote erst recht. Wenn das Wachstum nachlässt, wird der Vorteil aber zum Nachteil. Es ist ähnlich wie bei Substanz- und Wachstumswerten: Bei steigendem Wirtschaftswachstum legen die Gewinne je Aktie von Substanzwerten stärker zu. Oft sind es reifere Unternehmen mit konjunktursensitiveren Umsätzen, während Wachstumsfirmen etablierten Firmen Marktanteile abnehmen wollen. Weil EAFE-Unternehmen US-Unternehmen hinter sich gelassen haben, entwickelten sich die Aktienkurse entsprechend.
  • Seit 2008 – langfristige Stagnation: Nach der Rezession 2008 vergaben internationale Banken weniger Kredite, und die Verbraucher schnallten ihre Gürtel enger. Die Industrie-länderunternehmen gaben weniger Geld aus und verlagerten die Produktion nach Asien. In China und den Emerging Markets ließ die Konjunktur nach. All das zusammen führte zu einem so schwachen Wachstum wie seit über 100 Jahren nicht mehr. Profitiert haben davon Unternehmen, die weniger konjunktursensitiv sind, vor allem US-Technologiefirmen. Ihnen gelang es, in der Krise Marktanteile zu gewinnen. Oligopole, Monopole und Monopsone entstanden. Sie waren sehr erfolgreich und steigerten trotz Stagnation den Gewinn.

Ausblick: Gewinne im Wandel

Wir glauben, dass die Zeit jetzt reif für einen erneuten Paradigmenwechsel ist.

Das BIP-Wachstum hängt letztlich von Ausgaben und Preisen ab. Beides ist heute höher als von 2009 bis 2020. Dabei dürfte es bleiben, da auch künftig mehr Investitionsbedarf bestehen dürfte als in den 2010ern. Damals wurden die internationalen Lieferketten optimiert, um Effizienz und Ertrag zu steigern. Doch dann führten Corona, der Ukrainekrieg, die Eskalation im Nahen Osten und zuletzt auch die US-Zollpolitik dazu, dass Stabilität wieder wichtiger wurde als Kostenminimierung. Für zusätzlichen Kapitalbedarf sorgen unter anderem KI, steigende Energienachfrage und höhere Verteidigungsausgaben.

Zugleich ist die Zeit des Überangebots vorbei. Alle Produktionsfaktoren – Kapital, Arbeit und Vorprodukte – sind heute teurer als in den Jahren nach 2008.

Das Wirtschaftswachstum kann überall nachlassen – aus vielen Gründen. Aber neue Investitions- zyklen in unterschiedlichen Branchen, höhere Faktorkosten und neue Unternehmen, die Markt- anteile gewinnen wollen, könnten den Unternehmen in den USA stärker schaden als in den EAFE-Ländern. All das spricht unserer Ansicht nach geradezu mustergültig für Mehrertrag von EAFE-Aktien, die noch dazu günstiger bewertet sind.

Fazit

Die Analyse früherer Konjunkturzyklen zeigt uns, dass es letztlich auf die Gewinne ankommt. Wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, holen manche Aktien auf, und andere fallen zurück. Anleger können davon unserer Ansicht nach am stärksten profitieren, wenn sie Fundamentalanalysen nutzen – und wenn ihnen ein großes Researchteam zur Seite steht, das aus der wachsenden Informationsflut das herausfiltert, was am Markt wirklich zählt.

 

 

Der MSCI EAFE (Europe, Australia, Far East) Index (Net. Div.) ist ein kapitalisierungsgewichteter Index, der die Aktienmarktentwicklung der Industrieländer mit Ausnahme der USA und Kanadas abbilden soll.

Der Standard & Poor’s 500 Stock Index ist ein kapitalisierungsgewichteter Index aus 500 wichtigen Aktien, der die Wertentwicklung am US-Markt abbilden soll.

Quelle der Indexdaten: MSCI. MSCI gibt keinerlei Garantien oder Gewährleistungen und übernimmt keinerlei Verantwortung für die hierin enthaltenen MSCI-Daten. Die MSCI-Daten dürfen weder weitergegeben noch als Grundlage für andere Indizes, Wertpapiere oder Finanzprodukte genutzt werden. Dieses Dokument wurde von MSCI weder erstellt noch genehmigt oder geprüft.

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Die hier dargestellten Meinungen sind die des Autors/der Autoren und können sich jederzeit ändern. Sie dienen ausschließlich Informationszwecken und dürfen nicht als Empfehlung zum Kauf von Wertpapieren, Aufforderung oder als Anlageberatung verstanden werden. Prognosen sind keine Garantien. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist keine Garantie für künftige Ergebnisse.

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