
Mai 2025
Eine kleine Erinnerung von Moody’s
Die hohen Staatsschulden und die derzeitige Unsicherheit verhindern fallende US-Langfristrenditen – selbst dann, wenn die Fed die Zinsen senkt.
Robert M. Almeida
Portfoliomanager und Global Investment Strategist
Seit der internationalen Finanzkrise 2008 hat die Fed versucht, mit immer neuen Liquiditätsspritzen die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes wieder zu steigern und Anlageverluste möglichst zu verhindern. Aber schon letzten Monat schrieben wir, dass sich Liquidität nur auf zweierlei Weise schaffen lässt: durch höhere Einkommen oder durch höhere Schulden. Als Haushalte und Unternehmen nach der Finanzkrise weniger Geld ausgaben, wurde daher die Politik aktiv.
Weil jeder die Zahlen kennt, hier nur eine kurze Zusammenfassung: Von 10 Billionen US-Dollar im Jahr 2007 haben sich die US-Staatsschulden bis heute mehr als verdreifacht, auf über 36 Billionen (grüne Linie in Abbildung 1). Bereinigt um das Wirtschaftswachstum haben sie sich fast verdoppelt: die Schuldenstandsquote stieg von 65% auf 125% des BIP (blaue Linie).
Die jüngste Herabstufung des US-Länderratings durch Moody’s war keine Überraschung. Sie zeigt uns dennoch, dass Anleger einen wichtigen Risikofaktor berücksichtigen müssen. Er wurde in den letzten Jahren zwar immer wichtiger, vom Markt aber weitgehend ignoriert. Wahrscheinlich denken Sie jetzt an die Inflation. Aber ich meine etwas anderes.
Abbildung 2 zeigt die US-Zehnjahresrendite und die Break-even-Rendite laufzeitgleicher TIPS. Vom Coronatief bis 2022 sind die Renditen stark gestiegen, ausgelöst durch den Inflationsschock infolge der Pandemiehilfen. Aber dann änderte sich etwas. Die Nominalrenditen stiegen weiter, die Break-even-Renditen nicht.
Wäre die Inflation der Grund für den Renditeanstieg, würden die Unternehmen vermutlich die Preise anheben, und die nominalen Gewinnerwartungen würden steigen. Aber die Preise werden nicht erhöht, und die Gewinnerwartungen fallen, weil die Produktionsfaktoren noch immer wesentlich teurer sind als vor Corona (Abbildung 3).
Die steigenden Nominalrenditen und die Herabstufung durch Moody’s könnten daher einen anderen Grund haben: eine höhere Unsicherheitsprämie.
Finanzanlagen sind Anrechte auf Cashflows. Was dem einen zusteht, schuldet der andere. So gesehen entschädigen die Staatsanleihenrenditen die Gläubiger für die Unsicherheit über die Zukunft. Wenn sie zunimmt, fällt die Liquidität – und die Renditen steigen. Das erhöht die staatlichen Verbindlichkeiten.
Viel ist im Fluss. Man kann aber durchaus davon ausgehen, dass die Zölle künftig höher sein werden, als es die heutige Generation je erlebt hat. Zölle sind letztlich eine Steuer; sie entziehen der Volkswirtschaft Geld (Liquidität). Anleger verlangen dafür eine Entschädigung, ganz anders als in den 2010ern.
Assetmanager machen sich stets Gedanken über die amerikanische Notenbank. Ich kann das durchaus nachvollziehen. Aufgrund der Erfahrungen nach der internationalen Finanzkrise haben Anleger jahrelang geglaubt, dass Notenbanken die Langfristrenditen steuern können. Doch in den letzten Jahren sind die US-Schulden meist gestiegen, und immer mehr Kapital floss ins Land.
Wenn die Federal Funds Rate fiel, gingen meist auch die Unternehmensgewinne und das Wirtschaftswachstum zurück. Früher bedeutete schwächeres Wirtschaftswachstum meist fallende Langfristrenditen. Jetzt glaube ich aber, dass die hohen Staatsschulden und die große Unsicherheit einen Renditerückgang selbst dann verhindern, wenn die Fed die Zinsen senkt. Künftig könnten Zinssenkungen Unternehmensgewinnen und Kursen also weniger helfen als früher.
Nichts spricht für einen Rückgang der enormen US-Staatsschulden, aber viel für eine nachlassende Liquidität. Anders als früher reagieren US-Staatsanleiheninvestoren heute sehr viel sensibler auf Unsicherheit und verlangen höhere Risikoprämien.
Aus dem Handelskrieg kann ein Kapital- und Liquiditätskrieg werden – ein lange unterschätztes chronisches Risiko. Und mit dem US-Haushaltsdefizit kommt ein akutes Risiko hinzu.
Zwar rechnen wir nicht im Entferntesten mit einer echten Schuldenkrise in den USA, doch dürften die Fremdkapitalzinsen für Verbraucher und Unternehmen dieses Jahr auch dann hoch bleiben, wenn die Fed den Leitzins senkt. Gewinne und Kurse der einzelnen Unternehmen könnten sich dann stark auseinanderentwickeln – je nachdem, wie gut sie mit dem neuen Umfeld zurechtkommen.
Der jahrelange Mehrertrag passiver Strategien könnte dann Vergangenheit sein. Dann könnte die Wertentwicklung wieder mehr von den Fundamentaldaten als von der Geld- und Fiskalpolitik abhängen.
Die hier dargestellten Meinungen sind die des Autors/der Autoren und können sich jederzeit ändern. Sie dienen ausschließlich Informationszwecken und dürfen nicht als Empfehlung zum Kauf von Wertpapieren, Aufforderung oder als Anlageberatung verstanden werden. Prognosen sind keine Garantien. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist keine Garantie für künftige Ergebnisse.