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Der heimliche Motor der Aktienmärkte: Warum der Konsum wichtiger ist denn je

Für Industrieländeraktien ist zurzeit wohl nichts wichtiger als das Konsumklima. Der private Verbrauch bestimmt die Gewinne von Einzelhandelsriesen wie Walmart und Amazon sowie innovativen Technologiekonzernen wie Apple oder Tesla, die Sektorentwicklung und die Marktstimmung. Nur wer sich dessen bewusst ist, kann Risiken rechtzeitig erkennen und Chancen nutzen, wenn sich das Umfeld ändert.

AUTOR

Ross Cartwright
Lead Strategist
Strategy and Insights Group

Warum der Konsum für Aktien so wichtig ist

1. Ein wichtiger Wachstumsfaktor
In den USA entfallen zwei Drittel des BIP1 auf den Konsum, was ihn zum entscheidenden Konjunkturfaktor macht. 70% des MSCI World Index2 entfallen wiederum auf die USA, sodass die amerikanischen Verbraucher die Aktienmärkte weltweit maßgeblich bestimmen. In anderen Industrieländern, ob in Europa oder Japan, mögen das Verarbeitende Gewerbe und der Handel wichtiger sein. Aber auch hier entfällt weit mehr als die Hälfte der Wirtschaftsleistung auf den privaten Verbrauch.

2. Der Konsum bestimmt die Unternehmensgewinne
Konsumgüterunternehmen, vor allem Hersteller von Gebrauchsgütern, sind direkt von Veränderungen des Ausgabeverhaltens betroffen. Wenn die Verbraucher sparen, betrifft das zyklische Sektoren überdurchschnittlich stark. Das gilt für Autos, Gartenmöbel, Reisen und Freizeit sowie andere Dinge, die man nicht unbedingt braucht. Basiskonsumgüter halten sich in schlechten Zeiten meist besser und lassen zyklische Gebrauchsgüter hinter sich.

Wenn die Verbraucher weniger Geld ausgeben, kann das indirekte Folgen für eine Reihe von Branchen haben, vom Verarbeitenden Gewerbe bis zum Transport. Mitunter werden auch Werbebudgets gekürzt, sodass am Ende fast der gesamte Markt betroffen ist.

Regionale Unterschiede: Die Lage der Verbraucher weltweit

1. USA: Stabilität trotz Komplexität
Der amerikanische Konsum war erstaunlich stabil – dank eines soliden Arbeitsmarkts, guter Haushaltsfinanzen und einer nicht zu hohen Haushaltsverschuldung. Die expansive Fiskalpolitik stärkt die Unternehmen auch weiterhin, was Entlassungen unwahrscheinlicher macht. Das dürfte den Konsum auch in Zukunft stützen. Dabei sind die amerikanischen Verbraucher nicht homogen. Etwa 40% des Konsums entfallen auf die 25% mit den höchsten Einkommen.3 Ihre wirtschaftliche Lage bleibt gut.

Dennoch gibt es erste Anzeichen für Schwierigkeiten. Höhere Zinsen mindern die verfügbaren Einkommen ärmerer Haushalte, die auf Kreditkarten- und Verbraucherkredite angewiesen sind. In manchen Regionen könnten auch die Hauspreise allmählich nachgeben, was dem Konsumklima wohl ebenfalls schadet. Andererseits sorgen niedrige Energiepreise für eine gewisse Entlastung, und die anhaltend expansive Fiskalpolitik stützt den Konsum indirekt. Sie macht die Unternehmen rentabler – und rentable Unternehmen entlassen normalerweise keine Mitarbeiter.

Unterdessen könnte der derzeitige Rückgang der Zuwanderung die Reallöhne steigen lassen. Trotz kurzfristiger Herausforderungen stehen die amerikanischen Verbraucher also weiterhin gut da.

2. Europa: Erholung
Die europäischen Verbraucher mussten mit einer stagnierenden Wirtschaft, Inflation und einer Energiekrise zurechtkommen, auch wegen des plötzlichen Endes der russischen Gaslieferungen nach dem Einmarsch in die Ukraine. Dabei ist der Konsum in vielen Ländern zinssensitiver als in den USA, weil für Hypothekenzinsen in Europa oft nicht für so lange Zeiträume vereinbart werden.

Dennoch könnten steigende Hauspreise und Aktienkurse, ein stärkeres Kreditmengenwachstum und eine Erholung des Konsumklimas zu positiven Überraschungen führen – zum Nutzen nicht amerikanischen Aktien.

3. Japan: Am Wendepunkt
Japanische Verbraucher haben hohe Ersparnisse angesammelt, auch wenn die Sparquote zurzeit niedrig ist. Das liegt an der Alterung der Bevölkerung, der schrumpfenden Erwerbspersonenzahl und dem seit vielen Jahren stagnierenden Reallohnwachstum. Wegen des Arbeitskräftemangels haben japanische Unternehmen die Löhne bei den traditionellen Shuntõ-Verhandlungen in diesem Frühjahr um über 5,25% erhöht, der größte Anstieg seit 34 Jahren. Das ließ die Sparquote zuletzt wieder steigen (Abbildung 5).

Auch die Inflation ist in den letzten zwölf Monaten gestiegen. Die Löhne legten ebenfalls zu, aber die Reallöhne fielen weiter – auch wenn die Regierung zur Konsum- und Wirtschaftsförderung ein jährliches Reallohnwachstum von 1% anstrebt. Der anhaltende Arbeitskräftemangel dürfte aber weiterhin zu Lohnerhöhungen führen, was dem Konsum nützt. Die zunehmende Alterung der Bevölkerung schwächt den Konsum hingegen, und seit der Atomkatastrophe in Fukushima importiert Japan mehr Energie. Energiepreisschocks sind also nicht auszuschließen, aber noch stützen die niedrigen Energiepreise die Wirtschaft.

Indikatoren für die Lage der Verbraucher

Anleger müssen einige wichtige Indikatoren verfolgen, um die Lage der Verbraucher und ihre möglichen Auswirkungen auf die Aktienmärkte einschätzen zu können.

  • Reallohnwachstum: Ein Anstieg wie zuletzt in Europa und den USA stützt den Konsum.
  • Arbeitsmarktindikatoren: Die Arbeitslosenquote ist nachlaufend, aber andere Kennzahlen wie offene Stellen oder Kündigungen durch Mitarbeiter bilden die aktuelle Arbeitsmarktlage verlässlich ab. Demnach dürfte der US-Konsum stabil bleiben. Zwar werden weniger Stellen angeboten, aber es werden nicht mehr Mitarbeiter entlassen. Neueinstellungen und Kündigungen durch Mitarbeiter bleiben ebenfalls unverändert. Unterdessen bleiben Arbeitskräfte in Europa und Japan eindeutig knapp. 
  • Verfügbare Einkommen: Die anhaltend hohen Zinsen und Kürzungen bei Programmen wie Medicaid und SNAP (Supplemental Nutrition Assistance Program) könnten die Kaufkraft ärmerer Haushalte schwächen. Das gilt allerdings nicht für die reicheren, auf die der Großteil des über den Basiskonsum hinausgehenden Verbrauchs entfällt. 
  • Sparquote: Wenn weniger gespart wird, wird definitionsgemäß mehr konsumiert. Zurzeit gibt es Anzeichen für eine fallende Sparquote in Europa.

Warum ist das wichtig für Anleger?

In unserem Basisszenario rechnen wir mit einem zwar schwächeren, aber doch stabilen US-Konsum. Sorgen machen allerdings Trumps Zölle, die den Konsum bremsen könnten. Ein schwächerer Konsum schadet zyklischen Sektoren in der Regel am meisten, während sich Basiskonsumgüter und andere defensive Sektoren sowie Basisdienstleistungen (darunter Gesundheitsversorgung und Versorger) dann meist gut halten. Auch konsumferne Sektoren, wie Verteidigung, bleiben in der Regel stabil. Stets muss man aber Verhaltensänderungen und branchenspezifische Besonderheiten berücksichtigen. Im Abschwung kaufen manche Verbraucher günstigere Artikel oder zögern nicht unbedingt erforderliche medizinische Behandlungen hinaus. Zweitrundeneffekte mit Auswirkungen auf die Industrie, den Energiesektor und andere Branchen dürfen ebenfalls nicht unbeachtet bleiben. Bei einem schwächeren Konsum sollte man daher wählerisch sein. Wir glauben, dass besser geführte Unternehmen mit soliden Finanzen dann den Markt hinter sich lassen, weil Investoren in schlechten Zeiten mehr auf Qualität achten.

Chancen weltweit

Außerhalb der USA war der Konsum zuletzt schwächer. In Europa und Japan könnte er sich aber wegen der jetzt wieder besseren Rahmenbedingungen stabilisieren; Konsumklima und Konsum könnten zulegen. Den Gewinnen nicht amerikanischer Konsumgebrauchsgüterfirmen, etwa aus den Branchen Reisen sowie Freizeit und Bekleidung, kann das nur guttun, ebenso wie den Herstellern von alkoholischen Getränken und Kosmetikprodukten. Auch Premiummarken würden von höheren Konsumausgaben profitieren.

Anleger sollten aber wählerisch sein, da viele europäische Konsumgüterhersteller weltweit tätig sind und die USA ein wichtiger Markt für sie sind. Trumps Zölle machen die Lage nicht einfacher. Anleger müssen wissen, woher die in den USA verkauften Konsumgüter stammen. In Japan wiederum muss man die Auswirkungen der Demografie und des derzeitigen Arbeitskräftemangels auf das Verbraucherverhalten berücksichtigen – ebenso wie die anhaltenden Corporate-Governance-Reformen und die Entflechtung von Konzernen.

Erfolg mit Aktien durch Kenntnis der Konsumtrends

Die Lage der Verbraucher ist ein unauffälliger, aber umso wichtigerer Faktor für die Aktienmärkte. Der amerikanische Konsum bleibt stabil, aber in anderen Ländern können die Entwicklungen anders ein. Frühindikatoren wie Lohnwachstum, Beschäftigungsentwicklung und verfügbare Einkommen zeigen, wo mit Chancen zu rechnen ist und wo Risiken drohen. Wenn man sie analysiert, kann man sich entsprechend positionieren und von einem veränderten Konsumverhalten profitieren.

 

1 US Bureau of Economic Analysis, über FRED® (68.3%)
2 Bloomberg: 70,5% des MSCI World Index entfallen auf die USA.
3 Bureau of Labor Statistics

Der MSCI World Index bildet die Industrieländer-Aktienmärkte ab. Quelle der Indexdaten: MSCI. MSCI gibt keinerlei Garantien oder Gewährleistungen und übernimmt keinerlei Verantwortung für die hierin enthaltenen MSCI-Daten. Die MSCI-Daten dürfen weder weitergegeben noch als Grundlage für andere Indizes, Wertpapiere oder Finanzprodukte genutzt werden. Dieses Dokument wurde von MSCI weder erstellt noch genehmigt oder geprüft.

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