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The Big Mac

Das Ende des starken Dollar

Der Dollar scheint stark unter Druck – nicht nur kurzfristig, sondern auch im Rahmen der strategischen Asset-Allokation von Anlegern. Der einzige Lichtblick ist, dass er seinen Status als wichtigste Weltreservewährung auf absehbare Zeit wohl nicht verlieren wird. Vor diesem Hintergrund halten wir weltweite Diversifikation jetzt für wichtiger denn je. Anlagen außerhalb der USA – nicht amerikanische Aktien, europäische Anleihen und Emerging-Market-Anleihen – könnten von einer anhaltenden Dollarabwertung profitieren.

AUTOREN

Benoit Anne
Senior Managing Director
Strategy and Insights Group

Trisha Guchait
Quantitative Research Analyst

Der Dollar scheint stark unter Druck – nicht nur kurzfristig, sondern auch im Rahmen der strategischen Asset-Allokation von Anlegern. Der einzige Lichtblick ist, dass er seinen Status als wichtigste Weltreservewährung auf absehbare Zeit wohl nicht verlieren wird. Vor diesem Hintergrund halten wir weltweite Diversifikation jetzt für wichtiger denn je. Anlagen außerhalb der USA – nicht amerikanische Aktien, europäische Anleihen und Emerging-Market-Anleihen – könnten von einer anhaltenden Dollarabwertung profitieren.

Die taktische Sicht: Weitere kurzfristige Risiken für den US-Dollar 

Konjunktur und Marktlage sprechen unserer Ansicht nach weiter für einen schwachen Dollar. Betrachten wir zunächst die Konjunkturdaten. In den USA scheint uns ein Abschwung sehr viel wahrscheinlicher als in den meisten anderen Industrieländern. Das liegt vor allem an den unklaren wirtschaftlichen Folgen des Einwanderungsstopps und der Zölle, zwei von Trumps Schwerpunkten in den letzten Monaten. Zwar halten wir eine Rezession für unwahrscheinlich, nicht aber einen Abschwung. In anderen Regionen, etwa dem Euroraum, erholt sich die Konjunktur hingegen. Diese unterschiedlichen Wachstumserwartungen sind für den US-Dollar eindeutig negativ.  

Auch der Zinsausblick deutet in nächster Zeit auf eine eher schwache US-Währung hin. Höchstwahrscheinlich wird die Fed ihren Leitzins in den nächsten Quartalen stärker senken als die anderen großen Notenbanken. Die EZB dürfte die Zinssenkungen hingegen bald beenden, und die Bank of Japan denkt über weitere Erhöhungen nach. Weltweit scheint die Geldpolitik heute längst nicht mehr so synchron wie noch vor wenigen Quartalen. All das spricht für einen weiteren Rückgang des Zinsvorsprungs der USA, was für den Dollar ebenfalls ungünstig wäre. Wie Abbildung 1 zeigt, war er gemessen an der Realzinsdifferenz gegenüber dem Euro zuletzt zu stark. Aber das kann sich ändern, wenn die Fed ihren Leitzins weiter senkt. 

Ein weiterer Risikofaktor scheint uns die politische Lage in den USA zu sein. Zunächst einmal könnte das Anlegerinteresse an US-dollardenominierten Titeln wegen der sehr expansiven US-Fiskalpolitik weiter nachlassen; schließlich könnte das steigende Haushaltsdefizit höhere Langfristrenditen zur Folge haben. US-Anleihen und US-Aktien würden gleichermaßen darunter leiden. Darüber hinaus könnte der wachsende politische Druck auf die Fed der Glaubwürdigkeit der Geldpolitik schaden. Für uns ist die Unabhängigkeit der Notenbank Grundvoraussetzung dafür, dass man ihr vertrauen kann. Tatsächlich bekamen viele Emerging-Market-Länder die Folgen einer Politisierung der Geldpolitik schmerzlich zu spüren. Die Inflation stieg, und es kam zu hohen Kapitalabflüssen. 

Der Status des US-Dollar als sicherer Hafen hat darunter gelitten. Besonders deutlich zeigte sich das, als Anfang April der Handelskrieg eskalierte. Die fallende Risikobereitschaft ging mit einer starken Dollarabwertung einher (Abbildung 2). Auch Anfang August verloren Dollar und US-Aktien parallel an Wert, weil der Juli-Beschäftigungsbericht enttäuscht hatte. Der Dollar schien kein sicherer Hafen mehr, sondern eine eher risikoreiche Währung. Früher hatte die US-Währung von einer nachlassenden Risikobereitschaft stets profitiert. US-Staatsanleihen galten als der sichere Hafen schlechthin. 

Unser quantitatives Modell spricht nicht für eine kurzfristige Dollaraufwertung. Unser Quant-Prozess nutzt für die Allokation von Industrieländerwährungen zahlreiche Indikatoren. Dazu zählen mit Bewertung und Carry zwei eher längerfristige Faktoren, aber auch kurzfristige Signale wie Momentum und Marktstimmung (Sentiment). Der Dollar ist demnach überbewertet, auch wenn sein Carry noch immer attraktiv ist. Die kurzfristigen Signale sind uneinheitlich, tendieren aber zu Short-Positionen. Man muss aber bedenken, dass sich diese Signale schneller ändern. Alles in allem legen die taktischen Faktoren eine neutrale Dollargewichtung bzw. eine kleinere Short-Position nahe. Keinesfalls signalisieren sie eine rasche Aufwertung. 

Als einziger Kurzfristfaktor ist die Markttechnik positiv für den Dollar. Eine Short-Position im Dollar ist zurzeit eine der beliebtesten Positionierungen überhaupt. Die Netto-Short-Positionen sind heute so groß wie seit 2021 nicht mehr (Abbildung 3). Die günstige Markttechnik kann zu einer gewissen Volatilität und selbst zu einer kurzfristigen Dollarerholung führen. Dennoch dürften sich auf absehbare Zeit die schwachen Fundamentalfaktoren durchsetzen und den Wechselkurs bestimmen.  

Die strategische Sicht: Bewertungen und internationale Anleger stützen den Dollar allenfalls kurzfristig

Nach den meisten Kennziffern ist der US-Dollar im Vergangenheitsvergleich zurzeit um mindestens 10% zu teuer. So liegt der reale Dollarindex zurzeit um etwa 13% über seinem Langfristdurchschnitt (seit den 1970ern). Offensichtlich hatte der Dollar im Januar 2025 seinen Höchststand erreicht. Die Kombination aus einem teuren Dollar und ersten Schwächezeichen könnte das Anlegerverhalten weltweit maßgeblich beeinflussen. 

Das verhaltensorientierte Gleichgewichtsmodell (Behavioral Equilibrium Exchange Rate Model bzw. BEER-Modell) kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Es berechnet den fairen Wert einer Währung auf Basis der langfristigen realen Wechselkurse, bereinigt um aktuelle Produktivitäts- und Terms-of-TradeAbweichungen vom Langfristdurchschnitt. Die Fundamentaldaten einer überbewerteten Währung können recht gut sein. Gegenüber einem konzentrierten, handelsgewichteten Index der G10-Währungen ist der Dollar nach dem BEER-Modell um 18,7% überbewertet. Demnach würde er trotz wirtschaftlicher Unterschiede weiter abwerten (Abbildung 4). Die Bewertung einer Währung ist auch für die künftigen Aktienerträge wichtig. Die prognostizierte Dollarabwertung könnte US-Aktien schaden.

Zwei Anlagepraktiken könnten den Dollar kurzfristig weiter schwächen: Währungsallokation und Währungsabsicherung. Zum einen könnten sich Anleger bei ihrer strategischen Asset-Allokation aus USdollardenominierten Titeln zurückziehen. Der Dollaranteil würde fallen, zugunsten der übrigen Währungen. In den letzten Monaten gab es bereits starke Tendenzen in diese Richtung. Es könnte aber noch weitergehen, wenn Konjunktur und Marktumfeld dem Dollar wie beschrieben weiter schaden. Wir glauben, dass internationale Investoren in den USA erheblich übergewichtet sind. Solche Umschichtungen könnten daher Zeit brauchen, vor allem angesichts der Prozesse großer internationaler Investoren.

Auch Absicherungsgeschäfte könnten den Dollar weiter unter Druck setzen. Von 2022 bis 2024 war die Absicherung von Dollarpositionen (aufgrund des Zinsanstiegs in den USA ab 2022) sehr teuer. Manche asiatischen und europäischen institutionellen Investoren senkten daher ihre Absicherungsquoten. Laut Bank of Japan ist die Absicherungsquote großer japanischer Lebensversicherer von etwa 60% im Jahr 2021 auf 40% im Jahr 2024 gefallen,2 was sich jetzt umkehren könnte. Wie die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) im Juni 2025 schrieb, könnten Absicherungsgeschäfte nicht amerikanischer Investoren schon in den letzten Monaten zur Dollarschwäche beigetragen haben.3 Aus technischer Sicht ist eine Anpassung der Absicherungsquote das größte Risiko für den Dollar – und nicht etwa der währungsgesicherte Kauf dollardenominierter Titel. Man sollte die Absicherungsstrategien großer internationaler Investoren daher unbedingt genau beobachten.

Die strukturelle Sicht: Der US-Dollar als Reservewährung

Die langfristigen Aussichten des US-Dollar hängen stark von seiner Bedeutung für das Weltfinanzsystem ab. Sie sind daher sehr viel erfreulicher: Wir glauben nicht, dass der Dollar seinen Status als wichtigste Weltreservewährung verliert. Natürlich ist sein Anteil an den Reserven im Laufe der Zeit gesunken. Nach den jüngsten IWFDaten entfallen heute nur noch etwa 58% der weltweiten Reserven auf den Dollar;4 vor 20 Jahren waren es noch etwa 70% (Abbildung 5). Wir wüssten aber nicht, welche Währung dem Dollar ernsthaft Konkurrenz machen könnte. Mit etwa 20% Anteil liegt der Euro mit großem Abstand auf Platz 2, gefolgt vom Yen mit 5,8%. Vielleicht wird der Anteil des Dollar in der nächsten Zeit weiter fallen, aber dann wohl nur langsam und schrittweise. Das wichtigste Hindernis für die Wettbewerber sind Marktgröße und Marktliquidität. Egal, was man zurzeit von US-Staatsanleihen hält – der US-Staatsanleihenmarkt ist mehr als zehnmal so groß wie der Markt für deutsche Bundesanleihen. Beim Handelsvolumen, einem wichtigen Liquiditätsindikator, ist es noch extremer: Jeden Tag werden 30-mal so viele amerikanische wie europäische Anleihen gehandelt. Dollar und US-Staatsanleihen bleiben wichtige internationale Anlagevehikel.

Konsequenzen für Anleger: Argumente für weltweite Diversifikation 

Der schwache Ausblick für den Dollar liefert Argumente für weltweite Diversifikation. Dieses Jahr haben wir einmal mehr gelernt, wie wichtig sie ist. Weil Anleger den USA in den letzten Jahren eine Ausnahmestellung zubilligten, haben sie dort vielleicht zu viel investiert. Aber jetzt wachsen die Zweifel, was zu einem gewissen Rückzug aus USAnlagen führen könnte. Künftig könnten Assetklassen wie nicht amerikanische Aktien, europäische Anleihen und Emerging-Market-Anleihen von einer anhaltenden Dollarschwäche profitieren. Vor allem für Emerging-MarketLokalwährungsanleihen sind wir sehr optimistisch. Sie sind von Natur aus stark nach Ländern diversifiziert: Der wichtigste Referenzindex – der JPMorgan GBI-EM Diversified – enthält 19 Länder aus Asien, der EMEA-Region und Lateinamerika. So wichtig die Weltwirtschaft für diese Assetklasse bleibt, so wenig darf man gerade hier lokale Faktoren unterschätzen. Vor allem Geldpolitik und Inflation der einzelnen Länder haben große Auswirkungen auf die Performance.


 

1 Die Währungsbewertung ist ein Faktor unseres quantitativen Allokationsmodells für die Industrieländer. Da der Dollar überbewertet ist, empfiehlt er zurzeit nicht amerikanische Aktien.
2 Quelle: Bank of Japan, Financial System Report (April 2025).
3 Quelle: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), BIS Bulletin, Nr. 105, 20. Juni 2025. 
4 Quelle: IWF, IMF Data Brief: Currency Composition of Official Foreign Exchange Reserves, 17. Juli 2025.

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