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Aus Emissionen werden Aktiva

Ein Leitfaden zur Kohlenstoffabscheidung, -nutzung und -speicherung soll Investoren helfen, die Rolle des Kohlenstoffmanagements bei der Erreichung von Dekarbonisierungszielen zu entmystifizieren.

Nachhaltigkeit
im Detail

2. Quartal 2025

Es wird immer klarer, dass Sektoren mit einem technisch bedingt hohen CO2-Ausstoß ihre mittel- bis langfristigen Dekarbonisierungsziele kaum ohne Emissionsmanagement erreichen können. Anleger müssen daher wissen, welche neuen Technologien sich dafür eignen und was das für die künftige Sektorentwicklung bedeutet. Wir wollen darüber aufklären, was CO2-Abscheidung, -Nutzung und -Speicherung (Carbon Capture, Utilization and Storage, kurz CCUS) ausmacht. Dazu nutzen wir Erkenntnisse aus unseren Analysen.

CCUS steht für Technologien, die den Eintritt von CO2-Emissionen in die Atmosphäre verhindern (Abscheidung) bzw. ihr CO2 entziehen (Entnahme) und stark komprimiertes CO2 tief unter der Erde speichern.

Im Grunde steht CCUS für zwei Ansätze für Entnahme und Sequestrierung (Aufnahme) von CO2-Emissionen:

  • CO2-Abscheidung und -Speicherung: Entnahme „neuer“ Emissionen unmittelbar an den erzeugenden Industrieanlagen („Point Source“)
  • CO2-Entnahme: Entzug von CO2 aus der Atmosphäre, also Beseitigung „alter“ Emissionen („Direct Air Capture“)

Zwar fangen CCUS-Projekte zurzeit nur einen kleinen Anteil der weltweiten Emissionen ein, doch  können sie dem Energie- und dem Investitionsgütersektor künftig wesentlich bei der Emissions-senkung helfen. Manche Sektoren haben kaum eine andere Wahl, wenn sie die Netto-Null erreichen wollen. Aktuelle Kampagnen wie „Gigatonne by 2030“ – also das Ziel, bis 2030 jedes Jahr eine Gigatonne (eine Milliarde Tonnen) CO2 abzuscheiden – zeigen, wie wichtig umfassende CO2-Manage-mentlösungen für den Energiesektor sind. 

Sektorübergreifende Analysen zeigen das Potenzial von CCUS 

Um Sektorentwicklungen, Alphachancen und Risiken zu verstehen, wollen wir:

  1. Analysieren, warum zuletzt so viele CCUS-Projekte angekündigt wurden, und ob sie realistisch und nachhaltig sind
  2. Mehr über die langfristige Bedeutung von Gas und Kohle für Energie und Industrie erfahren
  3. Bereiche identifizieren, in denen Stranded Assets, Fehlinvestitionen oder massive Überschreitungen des Kostenrahmens drohen
  4. Prüfen, wie glaubwürdig die Netto-Null-Pläne von Energie- und Industrieunternehmen sind
  5. Herausfinden, wer effizient arbeitet und welche Anbieter hohes Wachstumspotenzial haben

Mitglieder unseres Investmentteams haben Analysen erstellt, mit Emittenten gesprochen und sich sektorübergreifend über die wachsende Bedeutung von CCUS für die Dekarbonisierung weltweit ausgetauscht. Ihre Erkenntnisse sollen unsere Investmentprozesse verbessern. Wir wollen aussichtsreiche Unternehmen in diesem noch neuen Bereich finden. 

Netto-Null-Ziele und neue Vorschriften stärken die Nachfrage nach CCUS-Innovationen

Marktentwicklungen, staatliche Anreize, technischer Fortschritt und der Bedarf von Unternehmen aus emissionsintensiven Sektoren lassen die Nachfrage nach CCUS-Technologien steigen und verbessern ihre Wirtschaftlichkeit.

Land/Region Gesetz/Initiative Jahr Einzelheiten
USA Bipartisan Infrastructure Law (BIL) 2021 Finanzierung von CO2-Managementprojekten und Infrastruktur
Inflation Reduction Act (IRA) 2021 Höhere Steuergutschriften (45Q) für CO2-Abscheidungsprojekte und ihren großflächigen Einsatz
EU EU-Innovationsfonds 2020 Finanzierung großer CCUS- und Energiewendeprojekte in EU-Ländern
„Fit für 55“-Paket 2021 Unter anderem CO2-Bepreisung und Anreize für die Nutzung von CCUS
Netto-Null-Industrie-Gesetz 2024 Jährliche EU-weite CO2-Speicherungsziele; angestrebter Aufbau eines Marktes für CO2-Speicherung 
Großbritannien North Sea Transition Deal 2021 Investitionshilfen und aufsichtsrechtliche Unterstützung für Offshore-CO2-Speicherung und Wasserstofferzeugung
Kanada CCUS Investment Tax Credit 2022 Steueranreize für CO2-Abscheidungs-technologien in der Industrie und im Energiesektor
Norwegen Longship Project 2020 Umfassende staatlich geförderte CCUS-Initiative für die Industrie
China Aufnahme der CCUS-Entwicklung in den 14. Fünfjahresplan 2021–2025 Ziele und Finanzmittel für CCUS-Pilot- und -Testprojekte

Die Tabelle zeigt eine (nicht vollständige) Liste weltweiter staatlicher Maßnahmen zur Förderung und zum Ausbau von CCUS-Projekten. Stand 1. März 2025.

All das sind Anreize für Unternehmen, CCUS zu nutzen – und kosteneffizientere, skalierbare CCUS- Technologien zu entwickeln, die die Energiewende weiter voranbringen. Finanzielle Anreize für emissionsärmere Produkte könnten auch die Lieferketten verändern, durch Wettbewerbsvorteile für Unternehmen mit geringeren Emissionen oder Länder, in denen viele Firmen CCUS anwenden. Je mehr CCUS zum Mainstream wird, desto größer wird der Vorteil von Regionen mit guten unter-irdischen Einlagerungsmöglichkeiten für CO2 – seien es ausgebeutete Öl- und Gasfelder, Salinen, Basaltformationen oder aufgelassene Bergwerke. Vorteile haben etwa Nordamerika (Öl- und Gasfelder), Europa (Nordsee), Australien und Saudi-Arabien.

CCUS im Energiesektor

Energieförderer, die ihren Kunden CCUS anbieten, können zusätzliche Umsätze erzielen. Elektrizitäts-versorgern kann CCUS helfen, die wachsende Nachfrage nach emissionsarmer Energie zu befriedigen. Die neue Technologie kann aber auch höhere Kosten zur Folge haben.

Fallstudie: Exxon und Denbury

Große Energieunternehmen rechnen damit, dass CCUS in Zukunft rentabel sein wird. Das zeigt sich etwa an der Übernahme des amerikanischen CCUS-Unternehmens Denbury Inc. durch Exxon für 4,9 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023. Denbury hat nach eigener Aussage das größte Pipelinenetzwerk im amerikanischen Südosten und war einer der größten und etabliertesten CCUS-Anbieter des Landes.

Für die Übernahme sprach unter anderem Folgendes:

  1. Die Staaten im amerikanischen Südosten – darunter Mississippi, Louisiana und Texas – dominieren die amerikanische Öl- und Erdgasförderung. Daher war schon viel Infrastruktur vorhanden.
  2. Die zahlreichen Industrieunternehmen vor Ort fragen viel CCUS nach, auch die konzerneigenen Industriestandorte von Exxon.
  3. Die Pipelines von Denbury liegen über tiefen geologischen Formationen, die sich für die langfristige CO2-Speicherung eignen.
  4. Denbury verfügt bereits über Class-VI-Genehmigungen für die CO2-Sequestrierung, die Exxon dann ebenfalls nutzen kann. 

Die Denbury-Übernahme galt als kosteneffiziente Alternative zum Bau ganz neuer Pipelines und Infrastruktur. Die Übernahme verhindert Verzögerungen durch Genehmigungsverfahren und ermöglicht die sofortige CO2-Abscheidung und -Speicherung industrieller CO2-Emissionen in großem Umfang. Dadurch hat Exxon einen entscheidenden Vorsprung am Markt. Exxon positioniert sich als verlässlicher und kostengünstiger Anbieter von CCUS-Lösungen aus einer Hand. Außerdem ermöglicht das Unternehmen die Erzeugung von CO2-ärmeren Rohstoffen wie blauem Wasserstoff (bei dessen Herstellung CO2-Abscheidungstechniken eingesetzt werden). Sicherlich sprechen wir hier über eine Langfristinvestition für Exxon. Sie deutet aber darauf hin, dass der Energiesektor CCUS für künftig rentabel hält und der Technologie viel Wachstum zutraut.

CCUS: Gekommen, um zu bleiben?

CCUS ist für die Energiewende äußerst vielversprechend, aber von echter Kosteneffizienz noch weit entfernt. Vielleicht droht in den nächsten Jahren Gegenwind. Der Wettbewerb durch andere saubere Energietechnologien und schwankende CO2-Preise könnte die Nachfrage nach CCUS auf Dauer beeinflussen. Auch könnte die staatliche Unterstützung nachlassen. Noch ist unklar, ob CCUS ohne Subventionen wirtschaftlich ist; schließlich sind die Umsetzungskosten sehr hoch.

Manchmal wird CCUS als der Königsweg zur Netto-Null beschrieben. Investoren und Emittenten müssen sich mit der neuen Technologie auseinandersetzen und dabei ihren Schwerpunkt auf Initiativen legen, die die Emissionen begrenzen. Allerdings dürften wir uns auch nicht zu stark auf CCUS verlassen – und müssen sicherstellen, dass die Innovationen ausreichende Langfristerträge erwirtschaften.

Trotz dieser Risiken scheint CCUS für Emittenten und Investoren gleichermaßen vielversprechend. Das Wachstumspotenzial ist hoch, die Technologie eignet sich für einige der emissionsintensivsten Branchen, wichtige Unternehmen setzen sie frühzeitig ein, und es mangelt nicht an staatlicher Unterstützung.


 

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