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Sustainability Insight

Emerging-Market-Anleihen: Was tun bei ESG-Risiken und Unsicherheit?

Wer erfolgreich in Emerging-Market-Anleihen investieren will, muss mit vielerlei Komplexitäten und Unsicherheitsfaktoren zurechtkommen. Wir glauben, dass unser integrierter Ansatz, die Fähigkeit zur Erkennung und Modellierung wesentlicher Risikofaktoren und unser umfangreiches Engagement uns sowohl beim Risikomanagement als auch bei der Nutzung von Anlagechancen helfen.

AUTOREN

Pelumi Olawale, CFA
Client Sustainability Strategy Strategist

Katrina Uzun
Institutional Portfolio Manager

Aimee Kaye
Emerging Markets Sovereign Research Analyst

Im Überblick

  • Wer in den Emerging Markets investieren will, muss wesentliche ESG-Faktoren berücksichtigen (Umwelt, Soziales, Governance). Emerging-Market-Emittenten sind stark vom Klimawandel und anderen Sozial- und Governancethemen betroffen.
  • In den Emerging Markets ist die Energiewende anders. Die Unterschiede gegenüber den Industrieländern und die damit verbundenen Risiken sind wichtig für den Investmentprozess.
  • Wir modellieren diese Risiken mit unserem ESG-Dashboard und anderen Instrumenten. Außerdem arbeiten wir im Rahmen unseres langfristigen aktiven Investmentansatzes mit Emittenten zusammen, um die individuellen Auswirkungen der Risiken zu verstehen.

Ob Diversifikation oder attraktives Ertragspotenzial – für uns spricht viel für strategische Anlagen in den Emerging Markets. Nach den Kurzfristprognosen der Weltbank wird das BIP der Schwellen- und Entwicklungsländer (EMDEs) ohne China 2025 im Schnitt um 4,1% und 2026 um 4,0% wachsen. Für die klassischen Industrieländer werden nur 1,7% bzw. 1,8% erwartet.1

Unsere Analysen zeigen, dass Faktoren wie physische Klimarisiken, Ressourcenmanagement, soziale Stabilität, Bildungsqualität, Einkommensungleichheit, Rechtsstaatlichkeit, Arbeitnehmerrechte sowie demokratische Teilhabe wichtige Indikatoren für die Kreditwürdigkeit von Emittenten aus den EMDEs sind. Um Ausfallwahrscheinlichkeiten und Spreadveränderungen zu schätzen, müssen wir verstehen, wie sie sich auf die Emittenten auswirken. Entscheidend ist aber stets ihre finanzielle Relevanz.

In dieser Studie untersuchen wir, wie wir wichtige ESG-Faktoren, darunter den Klimawandel, bei Investitionen in Emerging-Market-Anleihen berücksichtigen. Außerdem befassen wir uns mit einigen weiteren Fragen zur Energiewende in den Emerging Markets.

Unser Ansatz

  1. Einschätzung und Modellierung wesentlicher Risikofaktoren mit unserem ESG-Dashboard Anhand zahlreicher Kennzahlen haben wir ein ESG-Dashboard entwickelt, das unsere Analysten und Portfoliomanager für ihre Anlageentscheidungen nutzen können. Es hilft ihnen beim Verständnis wesentlicher Risiken und Chancen, über die Informationen in den Finanzberichten hinaus. So können sie die ESG-Performance unterschiedlicher Emittenten im Zeitablauf nachverfolgen und vergleichen – konsistent, standardisiert und gemessen am Entwicklungsstand eines Landes. Vor allem bei zwei Fragen soll uns das Dashboard helfen:

a. Relative Performance: Welche Emittenten haben eine bessere oder schlechtere ESG-Performance als andere bzw., bei staatlichen Emittenten, eine bessere oder schlechtere Performance gemessen am Entwicklungsstand?
b. Richtung: Verbessern oder verschlechtern sich die ESG-Kennzahlen?

Die ESG-Daten für unser Dashboard stammen aus verschiedenen seriösen Datenquellen. Ausgewählt haben wir sie, weil sie viele Länder abbilden, sehr umfassend sind und lange Zeiträume abdecken.

Bei klassischen ESG-Daten bleiben die Gewichtungen der einzelnen Faktoren in der Regel unverändert. So ist eine Gleichgewichtung von Umwelt-, Sozial- und Governancefaktoren mit jeweils einem Drittel üblich. Die Gewichtungen in unserem Dashboard beruhen hingegen auf mit Backtests ermittelten Korrelationen, sodass Änderungen der Relevanz von Faktoren berücksichtigt werden. Da sich die Relevanz für die Spreads immer wieder ändert, führen wir regelmäßig solche Regressionen durch und passen die Gewichtungen gegebenenfalls an.

Konsens ist, dass bei Emerging-Market-Investitionen die Governance der wichtigste Faktor ist. Soziale Faktoren wie Bildung und Gesundheit sind aber ebenfalls relevant, und der Faktor Umwelt gewinnt langsam an Bedeutung. Zurzeit nutzen wir in unserem Dashboard als Basis Gewichtungen von 15%, 35% und 50% für Umwelt-, Sozial- und Governancefaktoren. Unsere Analysten können sie weiter anpassen, um die aktuelle Relevanz jedes Emittenten abzubilden.

  

  

Wichtig ist dabei, dass das ESG-Dashboard keine Risiken prognostiziert. Es gibt aber Hinweise auf mögliche Entwicklungen und Veränderungen der Fundamentaldaten. So können unsere Investoren gut einschätzen, wenn sich Risikofaktoren ändern.

2. Engagement und Rechenschaft
Wir glauben, dass eine integrierte Emittentenanalyse kurzfristige wie langfristige Risiken berück-sichtigen muss. Wer in Anleihen investiert, muss unserer Ansicht nach offen mit den Emittenten sprechen. Wir glauben, als langfristig orientierte Assetmanager zur Verbesserung der Governance und der Geschäftspraktiken beitragen zu können. Wir machen den Emittenten klar, dass solche Themen für immer mehr Anleger relevant werden und deshalb ernst genommen werden müssen. Unsere Portfoliomanager und Kreditanalysten für Emerging-Market-Anleihen treffen sich in der Regel mehrmals jährlich mit Regierungs- und Unternehmensvertretern, Oppositionspolitikern, Volkswirten, Wissenschaftlern, Journalisten und Beratern. Dieser Austausch soll ihnen helfen, die Emittenten besser zu verstehen. Hinzu kommen Treffen, in denen wir uns intensiv mit für die Emittenten wichtigen Themen befassen.

Bei unserem Engagement mit zwei Emerging-Market-Emittenten (Chile und Uruguay) stellten wir fest, dass die Fundamentaldaten beider Länder gut sind, sie ehrgeizige Entwicklungsziele haben und ihre Wirtschaftsreformen Fortschritte machen. All das trug dazu bei, dass wir uns an den Emissionen von Sovereign Sustainability-Linked Bonds (SSLBs) sowie Sustainability-Linked Bonds (SLBs) beider Länder beteiligten. Chile und Uruguay sind hierbei Pioniere. Die Höhe der Coupons solcher Anleihen (Step-ups bzw., im Falle von Uruguay, Step-downs) richtet sich nach der Erfüllung von Nachhaltigkeitszielen, etwa, ob wichtige Treibhausgasziele bis 2030 erreicht werden bzw. ob sich die Geschlechtervielfalt im Board bis 2031 verbessert.

Im Rahmen unserer Risikokontrolle prüfen wir die Nachhaltigkeit unserer Portfolios regelmäßig. So können wir ESG-Risiken besser verstehen und zu einer eigenen unabhängigen Einschätzung kommen.

Schließlich bemühen wir uns bei unserem Engagement auch um Respekt vor lokalen Normen. Wir wollen nicht allen Emittenten die gleichen Erwartungen überstülpen.

Die Energiewende in den Emerging Markets 

Die Emerging Markets müssen Wirtschaftswachstum, Zugang zu erschwinglicher Energie und Armuts-bekämpfung in Einklang bringen, und das ohne einen zu hohen CO2-Ausstoß. Mit sogenannten Just Energy Transition Partnerships (JETPs) entstehen neue Finanzierungsmechanismen, die den bislang von Kohle abhängigen Emerging Markets die Dekarbonisierung ermöglichen sollen.2 Was also bedeutet die Energiewende für Investitionen in Emerging-Market-Anleihen, und wie sollten Anleger die Energiewende unter wirtschaftlichen Aspekten bewerten?

  1. Kosten der Energiewende und Schuldendienst: Die Energiewende erfordert hohe Investitionen in erneuerbare Energien und Energieinfrastruktur. Für diese Projekte sind zusätzliche Kredite nötig. Es muss genau analysiert werden, was dies für Finanzen und Kreditwürdigkeit der Emittenten bedeutet. Hohe Auslandskredite ohne eine entsprechende langfristige Anpassung der Geld- und Fiskalpolitik können zu Problemen führen.
  2. Energiewenderisiken und Stranded Assets: Die Energiewende kann fossile Energieprojekte stark gefährden. Die Internationale Energieagentur (IEA) rechnet im Energiesektor bis 2035 mit Stranded Assets im Wert von etwa 120 Milliarden US-Dollar.3 Die derzeitigen JETP-Pläne beziehen sich vor allem auf die Finanzierung von Erdgasprojekten (mit einer Laufzeit von 15 bis 30 Jahren).4 Investoren müssen sich aber auch über langfristigere Entwicklungen Gedanken machen, wenn nämlich die Kosten der Erneuerbaren im globalen Norden weiterhin im derzeitigen Tempo fallen. Man muss die Dekarbonisierungspläne der einzelnen Länder genau verstehen, einschließlich ihrer Auswirkungen auf bestehende Energieinfrastruktur und geplante Investitionen in fossile Energien.
  3. Soziale Folgen und gerechter Wandel: Die United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) schätzt, dass die Energiewende weltweit etwa 1,47 Milliarden Stellen in wichtigen Wirtschaftssektoren betreffen könnte. Dazu zählen Landwirtschaft, Verarbeitendes Gewerbe und Transport. Nach Einschätzung der Internationalen Arbeitsagentur (ILO) kann vernünftig durchgeführter Klimaschutz große wirtschaftliche Gewinne ermöglichen. Möglich seien 26 Billionen US-Dollar Gewinne bis 2030 gegenüber einem Festhalten am Istzustand, bei einem Nettoarbeitsplatzzuwachs von 24 Millionen „grünen“ Stellen.5 Für Investoren könnten Kredite an Sektoren, die von der Energiewende profitieren, also interessant sein. Dennoch muss man auch ungewollte negative Folgen für den lokalen Arbeitsmarkt berücksichtigen.
  4. Klimaresilienz und Adaption: Klimarisiken sind für die Emerging-Market-Länder eine große Herausforderung. Dazu zählen Extremwetterereignisse, Wasserknappheit und Probleme in der Landwirtschaft. Man muss prüfen, wie anfällig Länder für die Folgen der Erderwärmung sind, was sie dagegen tun, wie sie sich anpassen und wie sie in klimafreundliche Technologien investieren. Wenn man die Emissionen grüner Anleihen und die Nutzung der Einnahmen genau prüft, kann man leichter einschätzen, ob ein Land weiteres Kapital für Klimaprojekte einwerben kann.
  5. Aufsichtsrechtliche und politische Veränderungen: Weltweit bemühen sich die Regierungen um die Energiewende, unter anderem durch CO2-Bepreisung, die Verpflichtung zur Nutzung erneuerbarer Energien und strengere Umweltregeln. Da viele Maßnahmen noch nicht ausgereift sind, werden einige von ihnen wohl wieder zurückgenommen. Um Anlagechancen einzuschätzen, muss man die politischen Maßnahmen und ihre Auswirkungen aber genau verstehen.

Fallstudie: Marokko 

Die folgende Fallstudie soll zeigen, wie wir ESG-Faktoren bei unserer Einschätzung marokkanischer Staatsanleihen berücksichtigen.

  • Marokko steht vor erheblichen Klimarisiken, unter anderem durch Dürren und eine hohe Abhängigkeit von Energie- und Lebensmittelimporten.
  • Das Land macht aber bei strukturellen Themen wie Gesundheitsversorgung, Bildung und Arbeitsmarktpartizipation große Fortschritte. Auch ist es politisch recht stabil. Die staatlichen Institutionen funktionieren eher gut, was die Bewältigung künftiger Herausforderungen erleichtern dürfte.
  • Diese Faktoren sprechen unserer Ansicht nach sehr für Investitionen in Marokko. Wir wollen davon profitieren, dass die Bewertungen steigen, wenn sich die ESG-Performance eines Landes verbessert. Um das zu erreichen, sind enge Kontakte zu den Emittenten nötig.

Abbildung 3: Marokkanische Staatsanleihen – ESG-Analyse

earth leaf

ENVIRONMENTAL

Drough Risk and Energy Dependency
• High concentration of economic activity within rain-fed agriculture creates disproportionate risks from drought
• Drought increases dependency on imported food and disproportionately impacts poor rural communities
• Imported oil also drives up the external deficit
 
Government Mitigation
• Effective implementation of economic diversification agenda
• Heavy investing in renewable energy production (large solar potential)
 
three people

SOCIAL

Improving Health
Within poor rural communities:
• Lower mortality rates; eradication of communicable diseases; increasing life expectancy
 
Education Challenges
Implementation of the 2019 Education Act may address these issues:
• Elevated high school drop-out rates; low international test scores, limited STEM schooling
 
Uneven Labor Participation
Development of a robust manufacturing sector challenged by:
• High youth unemployment rate; low (<20%) female participation rate
 
capitol building

GOVERNANCE

High Relative Stability
• Monarchy is stabile and well-respected
• Healthy institutions skilled in upholding the rule of law, government effectiveness, and institutional quality
 
Navigating COVID-19
• COVID-related funds were raised and disbursed efficiently
• On track to effect broader social assistance programs without significant backlash
 

  

Fazit

Wer erfolgreich in Emerging-Market-Anleihen investieren will, muss mit vielerlei Komplexitäten und Unsicherheitsfaktoren zurechtkommen. Wir glauben, dass unser integrierter Ansatz, die Fähigkeit zur Erkennung und Modellierung wesentlicher Risikofaktoren und unser umfangreiches Engagement uns sowohl beim Risikomanagement als auch bei der Nutzung von Anlagechancen helfen.

 

Anmerkungen

1 Global Economic Prospects, Juni 2023, Weltbank, https://openknowledge.worldbank.org/server/api/core/bitstreams/2106db86-a217-4f8f-81f2-7397feb83c1f/content (abgerufen: 1. September 2023).
2 Just Energy Transition Partnerships: An opportunity to leapfrog from coal to clean energy, International Institute for Sustainable Development (iisd.org).
3 Energy transition after the Paris Agreement, OECD (2016), verfügbar unter https://www.oecd.org/sd-roundtable/papersandpublications/Energy%20Transition%20after%20the%20Paris%20Agreement.pdf
4 The life cycle of oil and Gas Fields (undatiert), Planete Energies, verfügbar unter https://www.planete-energies.com/en/media/article/life-cycle-oil-and-gas-fields#:~:text=Oil%20and%20gas%20fields%20generally,the%20 very%20high%20extraction%20costs
5 Diskussionspapier, Leaving no one behind – Planning for a Just Transition (2019).

 

MFS kann ökologische, soziale und governancebezogene Faktoren (ESG-Faktoren) in seine Anlageentscheidungen, seine fundamentale Investmentanalyse und seine Engagementaktivitäten einbinden. Die aufgeführten Aussagen oder Beispiele veranschaulichen, wie MFS in der Vergangenheit ESG-Faktoren bei der Analyse oder Zusammenarbeit mit bestimmten Emittenten berücksichtigt hat. Sie sollen jedoch nicht implizieren, dass positive Anlage-, ESG- oder Engagementergebnisse in allen Situationen oder in irgendeiner Situation garantiert sind. Unser Engagement, auch zu ESG-Themen, konzentriert sich auf Faktoren, die für den langfristigen Unternehmenswert wichtig sein könnten. Instrumente sind Gespräche, Informationsbeschaffung und Bemühungen um Transparenz mit dem Ziel, fundierte Anlageentscheidungen im langfristigen wirtschaftlichen Interesse unserer Kunden zu treffen. Dabei wollen wir keinen Einfluss auf die Eigentümerstruktur eines Unternehmens nehmen. Engagement besteht häufig aus regelmäßigen Gesprächen mit einem Emittenten und führt nicht unbedingt sofort zu einer anderen ESG-Praxis. Positive Anlage- oder Engagementergebnisse, auch die oben beschriebenen, sind nicht unbedingt das Ergebnis der Analysen und Aktivitäten von MFS. In welchem Maße MFS ESG-Faktoren in seine Anlageentscheidungen, Investmentanalyse und/oder Engagementaktivitäten einbezieht, kann je nach Strategie, Produkt und Assetklasse sowie im Zeitablauf variieren und wird im Allgemeinen auf Grundlage der Einschätzung von MFS hinsichtlich der Relevanz und Wesentlichkeit der spezifischen ESG-Faktoren bestimmt (die von Einschätzungen oder Meinungen Dritter, einschließlich Investoren, abweichen kann). Die oben genannten Beispiele sind möglicherweise nicht repräsentativ für ESG-Faktoren, die beim Management des Portfolios eines Anlegers verwendet werden. Jegliche ESG-Bewertungen oder die Einbeziehung von ESG-Faktoren durch MFS können auf von Dritten (einschließlich Portfoliounternehmen und ESG-Datenanbietern) erhaltenen Daten beruhen, die ungenau, unvollständig, inkonsistent, veraltet oder Schätzungen sein können oder nur bestimmte ESG-Aspekte berücksichtigen (statt das gesamte Nachhaltigkeitsprofil und die Maßnahmen einer Anlage oder ihrer Wertschöpfungskette zu betrachten) und sich daher nachteilig auf die Analyse der für eine Anlage relevanten ESG-Faktoren durch MFS auswirken können. Die oben genannten Informationen sowie die Nennung einzelner Unternehmen und/oder Wertpapiere sollten nicht als Anlageberatung, Kauf- oder Verkaufsempfehlung oder als Hinweis darauf verstanden werden, dass eine Transaktion geplant ist.

Die hier dargestellten Meinungen können sich jederzeit ändern. Sie dienen ausschließlich Informationszwecken und dürfen nicht als Empfehlung zum Kauf von Wertpapieren, Aufforderung oder als Anlageberatung verstanden werden. Prognosen sind keine Garantien.

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