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Siegeszug der Künstlichen Intelligenz

Wir geben einen Überblick über die jüngsten Entwicklungen der KI-Technologie, ihre Auswirkungen auf einzelne Branchen und stellen Überlegungen zu möglichen Investmentchancen an.

Ross Cartwright
Lead Strategist


George Fontaine, CFA

Senior IPM Research Associate

Zusammenfassung 

Wir geben einen Überblick über die jüngsten Entwicklungen der KI-Technologie, ihre Auswirkungen auf einzelne Branchen und Überlegungen zu möglichen Investmentchancen.

Durch die Einführung von ChatGPT von OpenAI im letzten Jahr ist KI für alle verfügbar geworden. Die neue Technologie beflügelt die Vorstellungskraft der Menschen und verändert den Wettbewerb. Bislang war es Programmierern aufgrund unzureichender Hardware und Software nicht möglich, eine massentaugliche KI zu entwickeln, aber dank der jüngsten Fortschritte in beiden Bereichen wurden die Hindernisse überwunden. Das Ergebnis ist ein Quantensprung in puncto Funktionalität. Ein neues Kapitel der Geschichte der KI hat begonnen.

In der Öffentlichkeit werden vor allem die Auswirkungen der neuen Technologie auf die Internetsuche diskutiert. Wir sind der Meinung, dass die KI viel weitreichendere Folgen haben wird. Hardwarehersteller, Softwareentwickler sowie deren Geschäfts- und Privatkunden werden betroffen sein. Die Unternehmensgewinne könnten steigen, weil Prozesse effizienter und Kundenerfahrungen besser werden. Außerdem werden sich die Mitarbeiter auf KI am Arbeitsplatz einstellen müssen – als nützliches Instrument, aber auch als Konkurrenz. Und die Politik wird lernen müssen, wie man von KI generierte Beiträge zur Arbeitsleistung und zum Wissensaustausch regulieren kann.

Wie funktioniert KI?

Künstliche Intelligenz gibt es in unterschiedlichen Formen schon seit Jahrzehnten, aber in diesem Artikel konzentrieren wir uns auf generative KI und große Sprachmodelle. Kurz gesagt werden diese Formen der KI auf Grundlage großer Datenmengen trainiert, um zu lernen, die Eingaben von Nutzern zu interpretieren und verlässliche Ergebnisse zu liefern.

Generative KI erstellt neue Inhalte, Chatantworten, Designs und synthetische Daten. Sie nutzt Wahrscheinlichkeitsmodelle, die darauf ausgerichtet sind, Muster zu erkennen, Entscheidungen zu treffen und Analysen auf der Grundlage der Daten, auf die sie trainiert wurde, zu verfeinern. Große KI-Sprachmodelle formulieren Sätze, indem sie immer das wahrscheinlichste nächste Wort wählen.

KI-Produkte haben (noch) keinen eigenen Willen. Um zu funktionieren, müssen sie von Programmierern auf bestimmte Daten trainiert werden. Die Daten stammen meist aus Onlinequellen oder von Datenanbietern. Sie können eigentumsrechtlich geschützt oder frei verfügbar sein.

Was sind die Grenzen großer Sprachmodelle?  

Die Programmierer müssen zwischen Datenmenge, -qualität und -aktualität abwägen – Variablen, die die Nutzererfahrung beeinflussen. Sie müssen aber auch die Kosten im Auge behalten. Grundsätzlich gilt: Je mehr Daten, desto besser. Aber mehr Daten bedeuten höhere Kosten, beispielsweise, weil mehr Rechenleistung benötigt wird, möglicherweise Lizenzgebühren anfallen und das Training der KI komplexer ist. Datenqualität ist der wichtigste Faktor, um zu verhindern, dass „Schrott-Input“ zu „Schrott-Ergebnissen“ führt. Zudem müssen die Daten logisch strukturiert und validiert werden, um ihre Tauglichkeit für ihren Zweck sicherzustellen. Pflege und Aktualisierung dieser Modelle ist eine weitere Hürde, weil die Technik nur das kann, worauf sie trainiert wurde. Und Modelle können schnell überholt sein. Schätzungen zufolge sind 90% der heute weltweit existierenden Daten allein in den letzten zwei Jahren entstanden. Seit 2010 hat sich die weltweit generierte Datenmenge schätzungsweise versechzigfacht. Von 2023 bis 2025 dürfte sie sich mehr als veranderthalbfachen.1

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Weitere Hürden sind der enge Arbeitsmarkt und die Zusatzkosten der Suchen der Nutzer. Außerdem benötigt man für ein KI-Modell ein individuelles System und muss die Daten gut genug kennen, um den Produktionszyklus des Modells zu verstehen. Zu den Kosten der Suchaufträge: Jedes von großen Sprachmodellen generierte Wort ist eine neue Suchanfrage, die heute erheblich mehr kostet als eine einfache Internetsuche. Im Zuge der Weiterentwicklung von Technologie und Anwendungen gehen die Kosten zwar zurück, aber vorerst sind sie ein Thema.

Wer profitiert davon?  

Wer im KI-Bereich die Gewinner sein werden, bleibt abzuwarten. Angesichts des Tempos, mit dem die Technologie immer besser wird, finden wir neue Anwendungen und Produkte sehr spannend, aber wie bei vielen Technologien können die Ersten am Ende durchaus die Letzten sein. Im Moment konzentrieren wir uns auf jene Unternehmen, die die Grundlagen schaffen, Technologien ermöglichen und von den steigenden Investitionen in KI-Plattformen profitieren. Aktive Investoren könnten auf Unternehmen setzen, deren Gewinne durch KI steigen dürften, weil sie höhere Umsätze erzielen und zugleich die Kosten senken. 

Einige der Gewinner stehen allerdings bereits fest: Anbieter von hoch entwickelten GPUs, Cloud-Computing und bestimmter Software. Die KI braucht noch mehr Daten. Auch Hardwareproduzenten könnten profitieren: von der Nachfrage nach leistungsfähigen Computern, Cloud-Prozessing-Zentren und der Infrastruktur für Strom, Kühlung und Datenspeicherung.

Die Gruppe der Softwareentwickler, die KI-Lösungen anbieten, wächst schnell. Cloud-Anbieter vermarkten KI-Leistungen bereits. Zudem haben sie die für grundlegende KI-Modelle notwendige Hardware, Plattformen und Kapazitäten (und das erforderliche Kapital). Zurzeit ist der Großteil der Technologie auf offenen Plattformen erhältlich. Wie wichtig Größe und Reichweite sind, bleibt abzuwarten. Aber viele etablierte Unternehmen sind gut aufgestellt, um sehr bald mit KI Geld zu verdienen, vor allem jene mit einer guten Finanzausstattung und Zugriff auf große Datenbestände. Mit der Weiterentwicklung unserer Schnittstellen und Zugangsgeräte steigen die Opportunitätskosten, die damit verbunden sind, keine konsolidierten Daten zu haben. 

Wer könnte sonst noch profitieren?

Unternehmen, die Kunden mit KI bessere Produkte und Leistungen anbieten können, dürften ihre Wettbewerbsvorteile vergrößern sowie zusätzliche Umsätze und höhere Margen erzielen. Sie müssen es nur tun. KI kann die Kreativwirtschaft und Bereiche wie Gesundheitsversorgung, Fabrikautomation sowie Logistik- und Industrieprozesse voranbringen und verbessern. Auch Berater, die Unternehmen helfen, die Technologie zu verstehen und umzusetzen, sowie Anbieter besonderer Datensätze könnten profitieren. 

Wir gehen nicht davon aus, dass KI und Sprachmodelle die traditionelle Internetsuche ersetzen werden. Sie werden sie unserer Ansicht nach ergänzen, weil diese Modelle nicht auf Fakten beruhen, sondern immer nur so gut sind wie die ihnen unterliegenden Daten und die Trainingsprotokolle ihrer Entwickler. Das macht sie fehleranfällig. Vermutlich wird der KI-Hype allen zugutekommen und für die aktuellen Akteure auf anderen Gebieten von Vorteil sein. 

Wer könnte Probleme bekommen?

Traditionelle KI-Modelle führen Wissen zusammen, um das Gleiche zu leisten wie menschliche Mitarbeiter, aber sie haben ein besseres Gedächtnis und keine Emotionen. Sie werden mindestens gut genug sein, um die Automatisierung von Routinearbeiten, Arbeitsprozessen und Abgleichen voranzutreiben. Generative KI und Sprachmodelle gehen einen Schritt weiter und können als kreatives Instrument bei der Erstellung von Bildern, Videos und Texten eingesetzt werden. Damit gefährden sie möglicherweise die Stellen von Programmierern, Autoren, Grafikdesignern und Videoeditoren. Softwarelösungen könnten obsolet werden. Einzelne Produkte oder horizontale Lösungen sowie Programme für Prozessabläufe, Strukturierung und Datenanalysen scheinen besonders gefährdet zu sein. Zudem wird die Integration von KI die Beziehungen zwischen Management und Mitarbeiterschaft verändern, ebenso wie die Umsatz- und Gewinnentwicklung in vielen Branchen.

Was sind die gesellschaftlichen Bedenken?

Es gibt immer schwarze Schafe, die versuchen werden, mithilfe von Technologie Menschen über den Tisch zu ziehen. Die Unterscheidung zwischen Fakten und Lügen in KI-generierten Inhalten wird die größte Sorge sein. Zudem könnten wir an einen Punkt gelangen, an dem KI-Modelle dazu genutzt werden, andere KIModelle zu trainieren. Die Ergebnisse eines KI-Modells könnten in Trainingsdatenbanken aufgenommen werden, worunter die Verlässlichkeit leiden würde. Und KI-Systeme können „sich irren“, wenn sie auf unrichtigen, unvollständigen oder veralteten Daten trainiert werden. Das kann zu falschen Ergebnissen und Fehlentscheidungen führen.

Nicht nur die KI-Modelle verbrauchen viel Energie. Auch die Produktion von Halbleiterchips, die für ihren Betrieb benötigt werden, ist energieintensiv. Die dazu erforderlichen Edelmetalle müssen gefördert werden, und sie enthalten auch chemische Komponenten. Hinzu kommen allgemeinere gesellschaftliche Fragen und die Gefahr sozialer Unruhen, wenn gut ausgebildete Mitarbeiter durch KI ersetzt werden, was möglicherweise die Mittelschicht belasten würde. Wird KI unsere emotionale Intelligenz beeinflussen? Werden Gedächtnisleistungen und Intellekt weniger wertgeschätzt oder gar überflüssig? Kann KI außer Kontrolle geraten? Wird der Kuchen nur auf einige wenige aufgeteilt? Das steht noch nicht fest, aber zweifellos muss man sich mit diesen wichtigen gesellschaftlichen und politischen Fragen befassen. 

Fazit

Wir stehen am Anfang der Entwicklung und Anwendung generativer KI. Es wird Verbesserungen geben, und die Technologie wird sich weiter verbreiten. Es hat einige Jahre gedauert, bis die Nutzerzahl bekannter Internetplattformen die 1-Million-Marke überschritten hat. Beliebte Social-Media-Websites brauchten dafür nur ein paar Monate – ChatGPT hatte bereits nach fünf Tagen 1 Million Nutzer; nach nur zwei Monaten waren es 100 Millionen. Zweifellos wird eine Technologie, die sich so schnell weiterentwickelt und verbreitet, Probleme verursachen, aber da viel auf dem Spiel steht, haben Technologieunternehmen keine Wahl. Sie müssen dabei sein. 

Wenn KI die nächste Technologierevolution auslöst, dann werden aus unserer Sicht generative KI und Sprachlernmodelle die Instrumente dazu sein. Anders als frühere Technologien sind sie nicht einfach Lösungen, die sich ihr Problem erst suchen müssen, sondern eine mögliche Lösung für viele verschiedene, ereits bestehende Probleme. Unserer Meinung nach werden davon nicht nur traditionelle Internetsuchmaschinenanbieter und Technologieunternehmen betroffen sein, sondern alle Branchen.

Zurzeit wird das Potenzial der KI viel bejubelt. Aber angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich die Technologie entwickelt, müssen wir achtgeben, dass die Erwartungen nicht größer sind als die tatsächlichen Chancen – und die Risiken im Auge behalten. Für interessant halten wir Infrastrukturunternehmen, die die KI-Revolution unterstützen, und Firmen (unabhängig von ihrer Branche), die KI früh in ihre Produkte und Leistungen integrieren.

Anmerkung

1 Exploding Topics 2023 — https://explodingtopics.com/blog/data-generated-per-day

 

Die hier dargestellten Meinungen sind die des Autors/der Autoren und können sich jederzeit ändern. Sie dienen ausschließlich Informationszwecken und dürfen nicht als Empfehlung oder Aufforderung zum Kauf eines Wertpapiers oder als Anlageberatung verstanden werden. Prognosen sind keine Garantien.

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