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Value: Warum wir Underdogs mögen

Wir zeigen, warum Substanzwerte im aktuellen Marktumfeld durchaus interessant sein können.

Authors

Ross Cartwright
Lead Strategist, Investment Solutions Group

Im Überblick

  • Mit dem Ende der Nullzinspolitik fällt eine wichtige Unterstützung für Wachstumsaktien mit längerer Duration weg. 
  • Um Konzentrationsrisiken zu meiden, bieten sich Substanzwerte als alternative Ertragsquelle an – zumal sie Portfolios diversifizieren können. 
  • Weil Wachstumsaktien teuer sind, sind die Aussichten für Value-Investoren gut – wenn sie wählerisch sind und auf günstig bewertete Qualitätstitel setzen.

Zinsen

Wir glauben, dass die derzeitigen Bewertungen von Substanzwerten das Zinsrisiko schon weitgehend abbilden. Value-Benchmarks sind meist mit Inflation und Zinsen korreliert, da sie vor allem konjunktursensitive Unternehmen aus den Sektoren Finanzen, Energie, Grundstoffe und Industrie enthalten. Da sich die Inflation ihren Zielwerten nähert und die Zinsen voraussichtlich fallen, erwarten wir insbesondere rückläufige Kurzläuferrenditen und damit eine Normalisierung der Zinsstrukturkurve. Ohne eine Rezession rechnen wir nicht mit einem drastischen Rückgang der Langfristrenditen auf unter 4%. Da die Notenbanken kein Interesse an einer Nullzinspolitik mehr haben, sind Zehnjahresrenditen von weniger als 1% (die die Spekulation anheizen und Wachstumsaktien helfen würden) sehr unwahrscheinlich. 

Nachlassende Wachstumserwartungen sind nicht gut für Value

Value-Benchmarks sind vor allem deshalb konjunktursensitiv, weil Bewertungen oft anhand des Kurs-BuchwertVerhältnisses (KBV) gemessen werden. Heute entfällt aber ein großer Teil des Unternehmensvermögens auf immaterielle Aktiva, die das KBV nicht erfasst. Man sollte sich deshalb nicht zu sehr darauf verlassen, dass steigende KBV und Mean Reversion Substanzwerten helfen. Es gibt feine Unterschiede. Nicht alle Substanzwerte sind ausschließlich von der Konjunktur abhängig.

Viele Value-Aktien stammen von großen, diversifizierten, wenig konjunktursensitiven Unternehmen, die einfach nur langsamer wachsen, dafür aber ertragsstarke und dauerhafte Geschäftsmodelle haben. Mit ihnen erwirtschaften sie stetig und kontinuierlich Gewinne. Hinzu kommen Aktien von Unternehmen mit kurzfristigen Problemen, die aber strukturell stabil sind, gut geführt werden und sich voraussichtlich erholen werden. Solche einzelwertspezifischen Entwicklungen sind meist nicht mit der Konjunktur korreliert.

Konzentrationsrisiken in der Benchmark

Wir halten Substanzwerte für eine immer wichtigere Ertragsquelle und ein immer wichtigeres Diversifikationsinstrument. Growth-Indizes und der Gesamtmarkt werden von denselben Unternehmen dominiert. Beide hängen also von den gleichen Faktoren ab. 21,6% des MSCI World Index entfallen auf die zehn größten Unternehmen, ebenso wie 37,4% des MSCI World Growth Index. Die zehn größten Unternehmen des MSCI World Value Index haben aber nur 3,5% Indexanteil. Und in den USA ist es noch extremer: Hier entfallen 32,5% des S&P 500 auf die zehn größten Unternehmen, die zugleich 53,3% des Russell 1000® Growth Index ausmachen. Im Russell 1000® Value Index ist keines von ihnen vertreten. 

KI ist mehr als Technologie

Die Erwartungen an Künstliche Intelligenz sind hoch. Keineswegs sollte man aber glauben, dass nur Technologieunternehmen von ihr profitieren. In vielen Branchen wird KI für mehr Produktivität und höhere Margen sorgen. Wer KI klug nutzt und in die Geschäftsprozesse integriert, kann stark profitieren. In einer aktuellen Kurzstudie schreibt Absolute Strategy Research, dass in den Telefonkonferenzen zum 4. Quartal 2023 – von Technologieunternehmen abgesehen – niemand häufiger der Begriff „KI“ verwendet hat als Vertreter der Industrie. 

Auf die Bewertungen kommt es an

Die Magnificent 7 werden zurzeit etwa zum 33-Fachen ihrer Gewinne gehandelt und sind damit mehr als doppelt so teuer wie die übrigen Aktien des MSCI World Index (mit einem KGV von 16). Derart hohe Bewertungen sind bei manchen Firmen besser zu rechtfertigen als bei anderen, doch sind die meisten guten Nachrichten schon in den Kursen berücksichtigt. Damit die hohen Bewertungen Bestand haben, müssen die ehrgeizigen Gewinnwachstumserwartungen erst einmal erfüllt werden.

Die folgende Abbildung zeigt die KGV amerikanischer Aktien auf Basis der erwarteten 12-Monats-Gewinne. Demnach entsprechen die Bewertungen von Substanzwerten zurzeit etwa ihrem Langfristdurchschnitt, während die Bewertungen von Wachstumswerten knapp unter ihrem Zehnjahreshoch liegen. Damit notiert Growth zurzeit etwa 30% über seinem Langfristdurchschnitt.

INDEX
AKTUELL
DURCHSCHNITT MAXIMUM MINIMUM
1 JAHR 3 JAHRE 5 JAHRE 10 JAHRE
S&P 500 20,02 18,52 19,04 18,86 17,62 22,88 14,42
S&P 500 (gleichgewichtet) 16,08 15,21 16,22 16,46 16,33 21,74 12,89
S&P 500 Value 15,45 16,06 15,88 15,46 15,04 17,86 11,70
S&P 500 Growth 26,64 21,46 23,48 23,37 20,87 29,53 16,36

Natürlich hängt die Performance kurzfristig nur wenig von der Bewertung ab. Langfristig ist das aber anders. Höhere Kurse heute bedeuten daher niedrigere Erträge morgen. Auch wenn man vielleicht nicht gegen alle Wachstumswerte wetten möchte, sollte man bei den derzeitigen Bewertungen vorsichtiger und sehr viel wählerischer sein als sonst. Abgesehen von den Magnificent 7 und einigen wenigen anderen Wachstumsaktien sind die Märkte zurzeit vernünftig bewertet – und entsprechend interessant.

Fazit

Meist wird die Performance von Value-Strategien anhand von Value-Indizes gemessen. Wir glauben aber, dass man sich nicht so sehr am Kurs-Buchwert-Verhältnis orientieren sollte, weil man dann stark der Konjunktur folgt.

Auch wenn kurzfristig mit etwas weniger Wirtschaftswachstum und fallenden Zinsen gerechnet wird, bieten Value-Strategien enorme Chancen. Mit ihnen kann man von langfristigen strukturellen Faktoren und anhaltend hohen Investitionen profitieren. Ein wichtiger Unterstützungsfaktor für Wachstumstitel, die extrem niedrigen Zinsen, ist hingegen weggefallen.

Die geringe Marktbreite führt dazu, dass sowohl Growth-Indizes als auch der Gesamtmarkt zunehmend von den gleichen Faktoren bestimmt werden. Gemessen an den Gewinnerwartungen für die nächsten zwölf Monate sind Wachstumsaktien teuer wie selten. Investoren sollten ihre Gewichtung daher genau prüfen, in Kern- und Growth-Strategien gleichermaßen. Wir halten es für sinnvoll, in ausgewählte Substanzwerte zu investieren. Sie können das Portfolio diversifizieren, ohne übermäßig konjunktursensitiv zu sein. 

Indexdaten von Bloomberg, Stand 31. Januar 2024.

 

 

Die hier dargestellten Meinungen sind die des Autors/der Autoren und können sich jederzeit ändern. Sie dienen ausschließlich Informationszwecken und dürfen nicht als Empfehlung zum Kauf von Wertpapieren, Aufforderung oder als Anlageberatung verstanden werden. Prognosen sind keine Garantien.

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