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Emerging-Market-Lokalwährungsanleihen Baldiger Aufmarsch der Stars?

Lokale Schwellenländeranleihen sind eine zyklische Anlageklasse, wobei jeder Zyklus im Allgemeinen durch vier Phasen gekennzeichnet ist. Da wir uns der vierten Phase nähern, glauben wir, dass lokale Schuldtitel eine attraktive Option für Anleger werden könnten.

In den letzten 20 Jahren gab es mehrere Zyklen am Markt für Emerging-Market-Lokalwährungs-anleihen. Jeder Zyklus hat vier Phasen. Die vierte Phase ist in der Regel durch eine stabile Performance gekennzeichnet. Zurzeit nähern wir uns einer solchen Phase. Deshalb könnte jetzt der richtige Zeitpunkt sein, Positionen in Emerging-Market-Lokalwährungsanleihen aufzustocken. 

Emerging-Market(EM)-Lokalwährungsanleihen sind eine zyklische Assetklasse, weil die Bewertungen von Lokalwährungsanleihen und Währungen auf die Leitzinsen reagieren, die wiederum ständig an die  länderspezifischen Konjunkturzyklen angepasst werden. Diese wiederum reagieren auf die US-Konjunktur-zyklen, wenn auch nicht immer gleich stark. Der Zyklus von EM-Lokalwährungsanleihen hat üblicherweise vier Phasen (Abbildung 1):

  1. Die US Federal Reserve beginnt mit Zinserhöhungen. In dieser Phase ist die Geldpolitik der Emerging Markets in der Regel locker. Das ist förderlich für ihr Wachstum und trägt dazu bei, dass ihre Leistungs-bilanzdefizite steigen.
  2. Mit Fortschreiten des Zinserhöhungszyklus werden EM-Lokalwährungsanleihen und -Währungen schwächer. Dann beginnen die Zentralbanken der Schwellenländer, ihre Zinsen anzuheben, um die Währungen zu stabilisieren und die Inflation im Zaum zu halten. 
  3. Das Wachstum wird schwächer, und die Fed legt eine Zinspause ein. Mit dem Wachstum gehen auch die Unternehmensgewinne zurück, und in der Regel sinkt die Risikobereitschaft. Dies setzt die EM-Währungen zusätzlich unter Druck, sodass die Zentralbanken der Schwellenländer ihre Zinsen weiter anheben. Das nachlassende Wachstum kann zu einer harten oder weichen Landung der Wirtschaft führen. Das hängt unter anderem davon ab, wie lange die Fed pausiert. 2016 legte sie bereits nach einer einzigen Zinserhöhung eine Pause ein, und 2019 signalisierte sie sehr früh nach ihrer letzten Erhöhung im Dezember 2018 Zinssenkungen. In beiden Fällen landete die Wirtschaft weich, wobei 2019 die Pandemie alles veränderte.
  4. Die Geldpolitik der Fed wird wieder locker; es folgen erste Zinssenkungen. Das trägt zu einer Stabilisierung der Risikobereitschaft bei und legt den Grundstein für eine Wachstumserholung. Die EM-Währungen werten auf, die Inflation geht zurück, und die Realrenditen von Lokalwährungs-anleihen steigen, sodass die Assetklasse wieder Zuflüsse verzeichnet. Schließlich lockern auch die Zentralbanken der Schwellenländer allmählich wieder ihre Geldpolitik. Diese Phase ist meist von einer stabilen Performance gekennzeichnet. Lokalwährungsanleihen steigen, die Zinsen fallen, und die Währungen werten auf. 

In der Vergangenheit gab es vier Emerging-Market-Lokalwährungsanleihen-Zyklen (siehe Anhang 1).

In welcher Phase des Zyklus von Emerging-Market-Lokalwährungsanleihen befinden wir uns zurzeit? Aus unserer Sicht befinden wir uns in der dritten Phase. Die Fed steht vor einer Zinspause. An diesem Punkt erwarten die Märkte bis Juli 2023 eine weitere Erhöhung um 25 Basispunkte. Außerdem signalisieren die gesamtwirtschaftlichen Frühindikatoren nachlassendes Wachstum. Abbildung 3 zeigt die Entwicklung der US-Frühindikatoren im Zeitablauf. Der Indikator deutet auf eine Rezession innerhalb der nächsten zwölf Monate hin. Andere Indikatoren wie die US-Zinsstrukturkurve senden ein ähnliches Signal. Und: Die Unternehmensgewinne lassen nach.

Allerdings ist die Risikobereitschaft bislang noch nicht zurückgegangen, wie es sonst am Ende einer dritten Phase der Fall war. Risikokennzahlen wie Unternehmensanleihenspreads, Aktienmarktvolatilität und Risikoprämien für Aktien sind noch nicht so hoch, als dass sie einen nennenswerten Rückgang der Risiko-bereitschaft signalisieren würden.

Zu Beginn der vierten Phase, wenn die Fed die Leitzinsen senkt und in Emerging-Market-Lokal-währungsanleihen noch nicht übergewichtet ist, halten wir die Assetklasse für interessant. Das liegt daran, dass die nachlassende Risikobereitschaft in der dritten Phase häufig für einen weiteren Rückgang von EM-Währungen und -Lokalwährungsstaatsanleihen sorgt, sodass die Bewertungen lang laufender Papiere für Investoren attraktiv werden können.

Wir halten die vierte Phase für einen vergleichsweise guten Zeitraum für Anlagen in Emerging-Market-Lokalwährungsanleihen, denken aber auch, dass man schon jetzt seine entsprechenden Positionen aufstocken könnte. 

  1. Eine wichtige Besonderheit des aktuellen Zyklus ist, dass die Zentralbanken der Schwellenländer ihre Leitzinsen zuerst erhöht haben. In der Regel beginnen sie erst nach der Fed. Aber diesmal waren sie schneller, sodass sie ihre Geldpolitik jetzt schon beträchtlich gestrafft haben (Abbildung 4). Deshalb ist der Carry bei manchen Währungen sehr hoch, was deren Abwertungen in der dritten Phase begrenzen dürfte.
  2. Eine weiche Landung ist zwar nicht unser Basisszenario, aber ein durchaus mögliches Ergebnis des Straffungszyklus der Fed. Zwar dürfte die US-Notenbank ihre Zinsen auch dann senken, aber nicht so stark wie bei einem deutlichen Konjunktureinbruch. Aber anders als bei einer harten Landung würden Risikoassets wie EM-Währungen aus unserer Sicht schon vor der ersten Zinssenkung der Fed zu einer Rallye ansetzen. 
  3. Bei einer harten Landung ist der US-Dollar nicht allzu stark. Gemessen an mehreren Kennzahlen ist der US-Dollar bereits jetzt überbewertet, weil er 2022 so deutlich aufgewertet hat. 
  4. Emerging-Market-Lokalwährungsanleihen sind attraktiv bewertet, vor allem im Vergleich zu Industrieländerpapieren. Emerging-Market-Anleihen bieten trotz der erheblichen Korrektur von Industrieländeranleihen noch immer gut 3% Zinsaufschlag (Abbildung 5). Die meisten Schwellenländer-Zentralbanken außerhalb Asiens haben ihre Leitzinsen auf ein sehr hohes Niveau angehoben und legen jetzt eine Pause ein. Die Rendite des häufig genutzten Benchmarkindex für EM-Lokalwährungsanleihen (J.P. Morgan GBI-EM GD Index) liegt zurzeit bei etwa 7%.1 Da sowohl Wachstum als auch Inflation nachlassen, halten wir es für unwahrscheinlich, dass die EM-Zentralbanken ihre Zinsen wieder anheben müssen – selbst bei einem starken Konjunktureinbruch (Abbildung 6).
  5. Auch Emerging-Markt-Währungen sind unserer Einschätzung nach attraktiv bewertet. Der reale Wert eines EM-Währungskorbs gegenüber einem USD/EUR-Korb ist zurzeit so niedrig wie seit mehreren Jahren nicht mehr (unter Berücksichtigung des Inflationsunterschieds zwischen Emerging Markets einerseits und den USA und dem Euroraum andererseits; Abbildung 7). Hinzu kommt, dass die Bewertungen von EM-Währungen bislang positiv mit Rohstoffen korreliert waren, sie aber die Rohstoffrallye im letzten Jahr nicht mitgemacht haben. Deshalb könnten die Währungen jetzt weniger empfindlich auf einen möglichen Rückgang der Rohstoffpreise im Zuge des nachlassenden Wachstums reagieren (Abbildung 8).

Emerging-Market-Lokalwährungsanleihen profitieren noch immer von robusten Fundamentaldaten. Die Außenbilanzen der Emerging Markets sind nach wie vor gut. Das belegt die Grundbilanz, also die Zusammenfassung von Leistungsbilanz und Nettoinvestitionen aus dem Ausland, die noch immer deutlich positiv ist (Abbildung 9). Eine starke Außenbilanz wird die Emerging Markets widerstandsfähiger gegen das nachlassende Weltwirtschaftswachstum machen, vor allem dank der hohen Fremdwährungsreserven. 

Wichtig ist, dass die Auswahl der Zyklusphase nur ein Faktor für Anlagen in Emerging-Market-Lokalwährungsanleihen ist. Aus unserer Sicht kommt es bei einer erfolgreichen Strategie für diese Assetklasse darauf an, dass die Länderauswahl im Mittelpunkt des Investmentprozesses steht. Investoren müssen nicht nur den Zyklus von EM-Lokalwährungsanleihen aus einer globalen Top-down-Perspektive kennen. Der Investmentprozess muss außerdem eine solide Analyse der Kreditwürdigkeit der Länder umfassen, weil EM-Lokalwährungsanleihen grundsätzlich volatil sind, vor allem aufgrund des Währungsrisikos. Hinzu kommt, dass die Unterschiede zwischen den Fundamentaldaten – und den Erträgen – bei Emerging Markets besonders groß sind (Abbildung 10). Deshalb muss man auf  Lokalwährungsanleihen aus Ländern mit starken Fundamentaldaten und großem Währungsaufwertungs-potenzial setzen. Wichtig ist, dass der Investor die lokale Geldpolitik und das technische Umfeld genau versteht, die Auswirkungen auf das Durationsrisiko haben können.

Aus unserer Sicht nähert sich der Zyklus von Emerging-Market-Lokalwährungsanleihen zurzeit seiner vierten Phase. Sie ist in der Regel durch eine stabile Performance der Assetklasse gekennzeichnet.  Wir meinen, dass dies auch diesmal der Fall sein könnte, aber weil dieser Zyklus anders ist als frühere,  könnte es unserer Einschätzung nach interessant sein, seine Position in Emerging-Market-Lokal-währungsanleihen schon jetzt aufzustocken.

Anhang 1: Frühere Zyklen von EM-Lokalwährungsanleihen

  • Die Zinserhöhungsserie der Fed von 2004 bis 2006: Wegen der starken Weltkonjunktur war die Performance von EM-Lokalwährungsanleihen 2004 zunächst gut, aber Mitte 2005 begann sich die straffere Geldpolitik der Fed auf die Assetklasse auszuwirken. Die Fed pausierte 14 Monate, bevor sie ihre Zinsen 2008 zu senken begann. Das war die Grundlage für die Erholung von Lokalwährungsanleihen im Jahr 2009. 
  • Das Taper Tantrum 2013: Dabei handelte es sich im Grunde genommen nicht um einen „echten Zyklus“, aber die Effekte waren ähnlich. Im Mai 2013 überraschte der damalige Fed-Chef Ben Bernanke die internationalen Märkte mit dem Hinweis auf ein Auslaufen der Anleihenkäufe. Die US-Treasury-Rendite schoss in die Höhe, und EM-Lokalwährungsanleihen brachen Anfang 2014 ein, bevor sie sich stark erholten, als sich die Sorgen wegen des Tapering abbauten. 
  • Der Schnellschuss 2015: In den Jahren 2015 und 2016 stiegen die Erwartungen der Märkte, dass die Fed einen neuen Zinserhöhungszyklus starten würde. Zugleich ließ die US-Wirtschaft nach. Im Dezember 2015 hob die Fed erstmals ihren Leitzins an, ließ ihn aber bereits im Januar 2016 wieder stabil. Die Märkte rechneten nicht mehr mit weiteren Erhöhungen, reagierten entsprechend und legten damit den Grundstein für Erträge von Lokalwährungsanleihen in zweistelliger Höhe in der zweiten Jahreshälfte. 
  • Der Zinserhöhungszyklus der Fed 2018: Bis 2018 waren die US-Leitzinsen immer weiter gesenkt worden, sodass die Geldpolitik restriktiv wurde. Das sorgte für volatile Märkte, vor allem, weil man zunehmend eine durch die Fed ausgelöste Rezession fürchtete. In Folge dessen verbuchten EM-Lokalwährungsanleihen bis August 2018 einen Verlust von 10% ggü. dem Vorjahr.2 2019 begann die Fed, ihre Zinsen zu senken, was unter anderem zu der starken Erholung der Assetklasse führte – mit einer Performance im zweistelligen Bereich.

Anmerkungen

1 Stand 2. Mai 2023.
2 Quellen: Bloomberg, J.P. Morgan. J.P. Morgan GBI-EM Global Diversified Composite Unhedged USD.

 

Quelle: Bloomberg Index Services Limited. BLOOMBERG® ist eine Handels- und Dienstleistungsmarke von Bloomberg Finance L.P. und seinen Tochtergesellschaften (zusammen „Bloomberg“). Bloomberg oder seine Lizenzgeber besitzen alle geistigen Eigentumsrechte an den Bloomberg-Indizes. Bloomberg hat dieses Dokument weder bestätigt noch genehmigt, garantiert weder die Richtigkeit noch die Vollständigkeit irgendeiner hierin enthaltenen Information, gibt keine explizite oder implizite Garantie im Zusammenhang mit den daraus gezogenen Schlüssen und schließt im größten nach anwendbarem Recht zulässigen Umfang jedwede Haftung oder Verantwortung für Schäden aus, die im Zusammenhang mit diesen Informationen entstehen.

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