Wo ist der Sweet Spot am globalen Credit-Markt?

Erfahren Sie, warum globale Unternehmensanleihen zurzeit interessant sein können. Pilar Gomez-Bravo gibt eine Einschätzung der Credit-Märkte. Sie spricht über Risikoaufteilung, die Dynamik am Energiemarkt und die Assetklasse Private Credit.

Titel: Wo ist der Sweet Spot am globalen Credit-Markt?

Speaker names and titles:
Anna Martin

Relationship Manager

Pilar Gomez-Bravo
Co-CIO Fixed Income 

Anna Martin: Wie attraktiv sind Investmentgrade-Anleihen in der aktuellen Zyklusphase, vor allem gegenüber anderen Segmenten des Anleihenmarktes?

Investmentgrade-Anleihen sind zurzeit vermutlich das Beste, was der Anleihenmarkt zu bieten hat. Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen werden die zurzeit hohen absoluten Renditen von den Staatsanleihenrenditen gestützt, weil die Geldpolitik straffer wird. Hinzu kommt der interessante Spread, der die Erträge abfedert.

Nach wie vor ist von einer gewissen Zinsvolatilität auszugehen. Deshalb federt der Puffer, den Investmentgrade-Anleihen bieten, die Gesamterträge ab. Das gibt Ihnen ein wenig mehr Spielraum und ist gut für den Break-even. Die Spreads müssten sich um 80 Basispunkte ausweiten, damit der Gesamtertrag negativ wird. Der zweite Vorteil von Investmentgrade-Anleihen ist besonders interessant: Die Assetklasse ist in der Regel defensiver als alle anderen Credits.

Anna Martin: Es scheint erhebliche Unterschiede zwischen US- und europäischen Investmentgrade-Anleihen zu geben. Warum sind Anleihen aus Europa zurzeit so attraktiv?

Pilar Gomez-Bravo: Ich manage gern internationale Anleihen, weil sie mir so viele Möglichkeiten bieten. Und wir haben beobachtet, dass sich europäische Investmentgrade-Anleihen von ihren US-Pendants abgekoppelt haben, und das zu Recht. Wir haben einen Krieg vor der Haustür, und es gab große Bedenken, dass Europa wegen steigender Energiepreise in eine tiefe Rezession fällt. Aber dank der Zurückhaltung der Unternehmen und der Industrie, der vollen Gasspeicher und des milden Winters wird es vermutlich nicht zu einer starken Rezession kommen. Deshalb erhält man für die Risiken europäischer Anleihen eine hohe Kompensation bei einer viel kürzeren Duration. Am europäischen Investmentgrade-Markt denke ich an eine Duration von vielleicht etwa fünf Jahren. Am US-Investmentgrade-Markt liegt die Duration traditionell bei vielleicht sieben Jahren.

Deshalb sind die risikobereinigten Spreads von Unternehmen vergleichbarer Qualität in Europa attraktiver, und das bei weniger Duration. Daher positionieren wir unsere Portfolios in der Regel eher so, dass wir mehr in europäische Investmentgrade-Anleihen investieren. Sie bieten ein wenig bessere risikobereinigte Spreads, und man kann zugleich die Unternehmen auswählen, die einen überzeugen. Aber am Ende gilt sowohl für europäische als auch für US-Investmentgrade-Anleihen angesichts der Unsicherheiten, die Sie erwähnt haben, dass man unbedingt eine starke Researchplattform haben muss. Top-down-Allokation ist eine tolle Sache, aber am Ende muss man die richtigen Emittenten auswählen, vor allem vor dem Hintergrund der künftigen Herausforderungen.

Anna Martin: Auf eine sorgfältige Auswahl wird es ankommen. Wir sprachen bereits über Rezessionsrisiken und steigende Kapitalkosten. Die Gewinnmargen fallen. Wie gut können die Unternehmen mit dem aktuellen Umfeld umgehen? Und hältst Du bestimmte Sektoren kurzfristig für anfälliger als andere?

Pilar Gomez-Bravo: Einer der spannendsten Aspekte bei Credit-Investments ist, dass man das Portfolio über die Einzelwertauswahl und zugleich über die Top-down-Allokation steuern kann. Bei starker Dispersion in Sektoren und hoher Volatilität ist es besonders spannend, ein aktiver globaler Credit-Manager zu sein. Und wir gehen davon aus, dass wir vor genau einer solchen Phase stehen. Die Dispersion am Credit-Markt steigt bereits. Wenn wir Risikopositionen aufbauen, und das ist es, was wir als Portfoliomanager tun, „spielen“ wir quasi mit dem Marktrisiko. Und beispielsweise in Europa, wo alle Spreads weiter geworden sind, kann man in diesem Teil des Marktes mehr Risiko eingehen. Zugleich sind an den US-Credit-Märkten die Unterschiede zwischen den Sektoren groß.

Deshalb kann man ein Risikobudget zusammenstellen, das genau zu den Gewinnerwartungen der Einzelwertideen der Analysten passt. Ich würde fast sagen, in Hinblick auf die Chancen, dass wir noch immer Banken bevorzugen – in Europa und in den USA. Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens haben sie viele Anleihen emittiert, weshalb ihre Spreads weiter wurden, und deshalb sind sie viel günstiger als Anleihen von Nicht-Finanzunternehmen. Das bietet einen Spreadvorteil, und Papiere aus dem oberen Teil der Kapitalstruktur sind in der Regel von hoher Qualität.

Daher bevorzugen wir zurzeit erstrangige Anleihen, nicht die sehr nachrangigen – wegen der Konjunkturbedenken, die wir haben. Und deshalb sind auch die Ratings deutlich höher. Banken sind einer der wenigen Sektoren, die von steigenden Zinsen profitieren. Und wenn man in einem Credit-Portfolio Risiken aufbaut, will man zurzeit, wegen der Inflationssorgen und der Zinsentwicklung, zinssensitive Sektoren meiden. Man will in Sektoren investieren, denen steigende Zinsen zugutekommen. Deshalb sind Banken einer der Sektoren, die wir bevorzugen.

Anna Martin: Wie schätzen Du und Dein Team die Entwicklung des Energieangebots und dessen Auswirkungen auf internationale Credits ein?

Pilar Gomez-Bravo: Zwei Faktoren sind am Energiemarkt wichtig, vor allem am Ölmarkt. Da ist zum einen der Krieg in der Ukraine mit Sanktionen gegen Russland, und zum anderen der Neustart der chinesischen Wirtschaft. Normalerweise würde das zu steigenden Ölpreisen führen, zumindest kurzfristig. In den USA werden die Lagerbestände (wieder) aufgefüllt, was wiederum zu einer höheren Ölnachfrage führt. Und dann sind zuletzt nur sehr wenige neue Ölfelder erschlossen worden, weil große ökologische Bedenken gegen fossile Brennstoffe bestehen.

Ganz kurzfristig könnte es daher zu einer Knappheit kommen, sodass die Preise steigen. Längerfristig bestimmen aber meist die internationale Nachfrage und das Angebot den Markt. Wenn man also im Basisszenario von einem deutlichen Abschwung der Weltwirtschaft irgendwann ausgeht und vielleicht von einer Rezession, dann müsste man längerfristig mit fallenden Energiepreisen rechnen. In Zukunft legen wir großen Wert auf einen anhaltenden Dialog mit den Energieunternehmen, denn wir wollen wirklich verstehen, wie sie investieren, sie angesichts der anstehenden Energiewende. Sie könnte zu einer Diversifikation des Energiemarktes führen, über die klassischen Ölmärkte hinaus.

Anna Martin: Was denkst Du ist die zentrale Frage, die Kunden, die in Credits investieren wollen, ihrem globalen Credit-Manager stellen sollten, um dessen Kompetenz einzuschätzen?

Pilar Gomez-Bravo: Also, die wichtigste Frage ist zweifellos, wie sie Portfoliorisiken eingehen, wie sie das Portfolio aufteilen und wie dynamisch sie Sektorchancen nutzen – aber noch wichtiger ist, wie stark ihre Researchplattform ist. Wie hat ihre Einzelwertauswahl in schwierigen Zeiten funktioniert? Und wiederum noch wichtiger – ich glaube, das ist eine der wichtigsten Fragen, die Investoren in dieser Zeit ihren Credit-Managern stellen sollten – ist, wie sie mit der Portfolioliquidität umgehen. Wir wissen, dass es ein Over-the-Counter-Markt ist. Wenn man also Credit-Manager beurteilt, muss man sich wirklich ansehen, wie sie an das Thema Liquidität der Portfolios herangehen und was sie tun, wo sie für Liquiditätsrisiken entschädigt werden und wo sie wirklich flexibler sein wollen bei ihren Positionen.

Anna Martin: In den letzten 20 Jahren hat das Beta die Erträge von Aktien und Anleihen bestimmt. Jetzt sind die Anleihenrenditen gestiegen. Sind die Zeiten jetzt besser für aktive Manager?

Pilar Gomez-Bravo: Ja, als die Renditen negativ waren, ließen sich Anleger nicht leicht von den Vorteilen des aktiven Managements überzeugen. Deshalb wechselten viele zu passiven Ansätzen. Aber jetzt kann man sich nicht mehr darauf verlassen, dass die Fed den Markt stützt. Man muss die Sektorallokation und die unterschiedlichen Risiken in seinem Portfolio wieder aktiv steuern, weil niemand kommt und einen rettet, wenn irgendetwas schiefgeht.

Und das hat sich geändert. Die Tatsache, dass die Fed wegen der Inflation den Markt nicht mehr stützt, haben viele Marktteilnehmer meiner Ansicht nach aber noch nicht vollständig registriert, denn durch die vielen, vielen Jahre mit einer lockeren Geldpolitik ist am Markt eine Art Moral Hazard entstanden. Erst jetzt, glaube ich, Schichten sehr große institutionelle Investoren ihre Portfolios von passiv zu aktiv um.

Anna Martin: In Australien ebenso wie in anderen Ländern war das Interesse an Private Credit zuletzt groß, mit hohen Kapitalzuflüssen. Wie schätzt Du das ein? Und glaubst Du, dass der Markt die Risiken von Private Credit zurzeit Risiken korrekt abbildet?

Pilar Gomez-Bravo: Die meisten Assetklassen schätze ich in der Regel eher neutral ein. Ich glaube nicht, dass irgendeine Assetklasse von Natur aus gut oder schlecht ist. Ich glaube, dass es nur gute oder schlechte Manager von Assetklassen gibt. Eine Sache, die man beim Wachstum der Private-Credit-Märkte berücksichtigen muss – durch die übrigens die Private-Equity-Märkte erst so stark wachsen konnten – ist, dass die Geldpolitik so lange locker war und dies die Finanzmärkte destabilisiert hat, durch eine höhere Kreditvergabe und einen zu starken Kursanstieg. Das Wachstum des Private-Credit-Marktes hatte daran oft großen Anteil. Die Herausforderung ist jetzt natürlich, dass, wenn wir nach Risiken für Credits und allgemein für Anleihen oder selbst für Aktien Ausschau halten, eines recht schwer zu erfassen ist, nämlich die versteckte Verschuldung.

Und hier muss man sich Sorgen machen. Sorgen deshalb, weil Kurse mit Verzögerung reagieren oder Private Credit neu bewertet werden muss. Aber es ist sehr schwierig, unter die Oberfläche zu sehen und wirklich zu verstehen, wo sich versteckte Schulden befinden. Wir machen uns deshalb hier generell Gedanken, denn es könnte letztlich zu einem systematischen Risikoabbau kommen, der zu einigen Problemen führen würde.

Ich meine deshalb, dass Investoren mit einer großen Private-Credit-Allokation deren Risiken genau im Blick haben und vor allem das Diversifikationsrisiko beachten sollten. Eine weitere Anmerkung möchte ich noch machen: Anlagen in illiquide Finanzinstrumente vor einer Rezession sind nicht unbedingt gut, denn man investiert in einen Jahrgang mit vielleicht hohen Risiken. Das ist das Einzige, worüber man nachdenken muss, wenn man jetzt in Private Credit investieren will.

Noch ein letzter Punkt: Es werden immer mehr Fonds für Sekundärmarktanlagen aufgelegt. Mir sagt das, dass mit großen Problemen Private-Credit-Markt gerechnet wird, wenn Fonds aufgelegt werden, die in Private-Credit-Problemanlagen investieren. Meist orientieren sich diese Märkte an der Zukunft. Wenn man also solche Sekundärmarktfonds schafft für Private-Credit-Problemanlagen, bedeutet das, dass man für die Zukunft auch das eine oder andere Problem erwartet. Da bin ich sicher.

Anna Martin: Vielen Dank für Deine Einschätzungen, Pilar. Das war wirklich sehr interessant. Danke dafür, dass Sie bei unserem Podcast dabei waren. Bis bald.

 

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